Merkel zeigt Solidarität
9. Oktober 2012Nicht nur in Deutschland wurde der Blitzbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Athen mit Interesse verfolgt. Über 600 Journalisten aus aller Welt hatten in den vergangenen Tagen eine Akkreditierung für den Dienstsitz des griechischen Ministerpräsidenten beantragt, in dem die gemeinsame Pressekonferenz von Angela Merkel und Antonis Samaras am Dienstagnachmittag stattfinden würde. Eigentlich passen in den dafür vorgesehene Raum höchstens 50-60 Pressevertreter.
Ministerpräsident Samaras nutzte die große Bühne der Weltöffentlichkeit und machte mehrmals auf die Leiden der griechischen Bevölkerung nach den nicht endenwollenden Sparrunden der vergangenen Jahre aufmerksam.
"Die Griechen wollen eine Chance"
"Ich habe der Kanzlerin gesagt, dass das griechische Volk blutet, aber entschlossen ist, im Euro zu bleiben und die Wette der Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen", sagte der Regierungschef. Die Griechen würden nicht um mehr Geld und auch nicht um einen Gefallen bitten, sondern allein um die Chance, auf eigenen Beinen stehen zu können, die Rezession zu überwinden und alle ihre Ziele zu erreichen.
Unausgesprochen blieben in der Öffentlichkeit die eigentlichen Anliegen: Athen bittet um die Unterstützung der Kanzlerin für eine Streckung der griechischen Schulden und plädiert außerdem dafür, dass die längst fällige Tranche des laufenden Rettungspakets für Griechenland spätestens im November ausgezahlt wird - wofür allerdings ein positiver Prüfungsbericht der aus EU, EZB und IWF bestehenden Troika erforderlich wäre.
Besuch als Vertrauensbeweis
Angela Merkel machte keine konkreten Zusagen und verwies stattdessen dreimal auf den bevorstehenden Troika-Bericht. Dennoch fand die Kanzlerin Worte der Anerkennung und Ermutigung für ihre Gastgeber und sprach von einer "ausgesprochenen schwierigen Phase" für die Menschen in Griechenland.
Und sie fügte hinzu: "Deshalb möchte ich auch sagen, dass ein großes Stück des Weges wirklich zurückgelegt ist. Wir haben gestern in der Eurogruppe gehört, dass es Fortschritte gegeben hat, aber auch unsere Gespräche machen das ganz deutlich: Dass es jeden Tag Fortschritte gibt bei der Bewältigung der schwierigen Aufgabe".
Diese Aussage wird in Athen als besonders positiv hervorgehoben. Und auch sonst werten viele griechische Medien den Besuch der Kanzlerin als einen Vertrauensbeweis für Griechenland. Anders die Athener Opposition: Der Besuch sei ein Fiasko, erklärte die "Radikale Linke", die bei den jüngsten Wahlen im Juni zweitstärkste Kraft im griechischen Parlament wurde. Die Regierung hätten nicht einmal das Minimum erreicht, nämlich eine verbindliche Zusage, dass Griechenland in der Eurozone bleibe.
Neue Hiobsbotschaften für Griechenland
In der Tat gab es am Dienstagnachmittag keine derart klare Zusicherung; die Kanzlerin sagte lediglich, sie würde sich "hoffen und auch wünschen", dass Griechenland in der Eurozone bleibt. Daraus jedoch zu schließen, dass die Euro-Mitgliedschaft Griechenlands immer noch in Frage stehe, wäre völlig unangemessen, glaubt Jannis Pretenderis, Politkommentator beim Athener TV-Sender Mega Channel:
"Es ist ein Fehler von uns Griechen, dass wir immer auf das eigene Land fokussiert sind. Glauben wir im Ernst, dass die Kanzlerin nach Griechenland kam, um zu den Griechen zu sprechen? Nein. Sie ist nach Griechenland gekommen, um zu den Deutschen zu sprechen und ihnen folgendes zu sagen: Dieses Land, das wir seit zweieinhalb Jahren nach Lust und Laune beschimpfen, hat Fortschritte gemacht, hat Opfer gebracht und verdient jetzt unsere Hilfe und Unterstützung" meint Pretenderis.
Unterdessen gibt es neue Hiobsbotschaften für Griechenland: Nach Einschätzungen des Internationalen Währungsfonds wird Griechenland seine Schulden nicht wie vereinbart bis 2017 reduzieren können. Gerade vor diesem Hintergrund könne man den Besuch der Bundeskanzlerin in Athen nicht hoch genug bewerten, erklärt Miltiadis Varvitsiotis, Abgeordneter der konservativen Regierungspartei "Nea Dimokratia" im TV-Sender Skai:
"Dieser Besuch bricht eine internationale Isolation Griechenlands. Und was glauben Sie, würden heute die ausländischen Medien über Griechenland berichten, wenn Angela Merkel nicht nach Athen käme? Angesichts der IWF- Stellungnahme würden die schon wieder die Spekulationen über einen möglichen Austritt Griechenlands aus dem Euro anheizen" empört sich der griechische Politiker.