Logistische Herkulesaufgabe
14. Oktober 2013Obwohl die Bundeswehr schon reichlich Erfahrung in den verschiedensten Auslandseinsätzen gesammelt hat, stellt die Rückverlegung aus Afghanistan eine Herausforderung dar, die es in dieser Dimension bisher so nicht gegeben hat. Viel Material hat sich bereits angesammelt. Das Feldlager in Faisabad wurde Ende Oktober 2012 aufgelöst und nun wurde auch das Feldlager in Kundus den afghanischen Sicherheitskräften übergeben. 5000 Kilometer Luftlinie hatten Soldaten und Material vor sich. Zunächst ging es über 250 Kilometer staubige Piste nach Masar-i-Sharif, dem Hauptstandort der Bundeswehr in Afghanistan. Aus Sicherheitsgründen wurden die genauen Termine für die Konvois nicht bekanntgegeben. Zudem wurden die Kolonnen von gepanzerten Fahrzeugen und aus der Luft bewacht.
Masar-i-Sharif diente beim Umzug als wichtige Drehscheibe. Läge der Ort an einem Tiefseehafen, wäre der Transport zurück nach Hause keine große Herausforderung, sagen die Logistiker der Bundeswehr. Es gibt mittlerweile Containerschiffe auf den Weltmeeren, die das gesamte Kontingent mit einer Überfahrt zurückverlegen könnten. Afghanistan ist jedoch das einzige Einsatzgebiet der Deutschen, das an keiner Küste liegt. Militärisch sensibles Material wie die schweren Panzerhaubitzen wird in großen Transportmaschinen direkt nach Leipzig in Deutschland geflogen. Die Bundeswehr rechnet allein mit Flugkosten von 150 Millionen Euro. Anderes Material geht ab Masar-i-Sharif per Luft bis zum türkischen Schwarzmeerhafen Trabzon. Dort hat Deutschland für den Abzug aus Afghanistan einen Umschlagplatz eingerichtet, an dem die Ausrüstung auf zivile Schiffe verladen wird, die dann über den Bosporus, Gibraltar und den Ärmelkanal bis nach Emden fahren.
Modernes Lazarett wird abgebaut
Einiges Material wird jedoch aus wirtschaftlichen Erwägungen oder aufgrund militärpolitischer Entscheidungen nicht zurückgeführt. Die "Redeployment-Planung" stellt die Bundeswehr vor eine Herkulesaufgabe. Jedes einzelne Teilstück wird in eine sogenannte Kategorisierungsliste aufgenommen. Dann wird entschieden, ob es vor Ort verwertet, den afghanischen Partnern überlassen oder nach Deutschland zurückgeschickt werden soll. "Dinge, für die die Transportkosten zu hoch sind, werden hier in der Provinz Kundus verkauft", sagt Oberst York Freiherr von Rechenberg, Bundeswehr-Kommandeur vor Ort. Natürlich handele es sich dabei nicht um Waffen oder Fahrzeuge, "sondern lediglich um Material, das für die zivile Nutzung brauchbar ist, wie Aggregate, Stromerzeuger oder Mobiliar".
Das moderne Lazarett, das vor zwei Jahren für sechs Millionen Euro errichtet wurde, wird hingegen größtenteils abgebaut. "Das Material wird mit zurückgenommen, weil wir für diese medizinischen Geräte, wenn wir sie abgeben würden, für zwei Jahre eine Garantieleistung übernehmen müssten, was wir nicht leisten können“, sagt der Kommandeur. Die Geräte kommen nach Deutschland, werden dort weiterverwendet oder gehen in andere Auslandseinsatze. Die Räume samt der Klimaanlage werden dagegen dem Polizei-Ausbildungszentrum überlassen, das im Feldlager entstehen soll.
Salomonischer Umbau
Neben dem Ausbildungszentrum der "Afghan National Civil Order Police" wird auch die afghanische Armee in die Kaserne einziehen. Aber nicht gemeinsam: Nach Angaben von Oberst von Rechenberg wird die Kaserne an die Bedürfnisse der afghanischen Nachfolger angepasst und mit einer Mauer in zwei Hälften geteilt. Armee und Polizei erhalten zudem eine getrennte Stromversorgung. Die Elektrik wird nicht mehr aus Generatoren, sondern aus dem Netz versorgt, was zwar weniger zuverlässig, aber deutlich billiger ist. Außerdem bekommt jeder eine eigene Küche und eine eigene Heizungs- und Wasserversorgung. Armee und Polizei können das Feldlager über zwei getrennte Einfahrten betreten. Die Kosten für den salomonischen Umbau à la Afghanistan bewegen sich laut Bundeswehr im einstelligen Millionenbereich.
Oberst von Rechenberg glaubt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte, aber auch die Verwaltung auf einem sehr guten Weg seien, ihren Aufgaben auch ohne die Bundeswehr gerecht zu werden. General Khalil Andarabi, Kommandeur der Sicherheitspolizei in Kundus, meint hingegen, trotz aller Vorbereitungen fehle es den Sicherheitskräften immer noch an Ausbildung, qualitativ hochwertigen Waffen und Luftunterstützung. "Das macht unsere Arbeit in Kundus schwer. Der Abzug von Kundus ist ein bisschen frühzeitig. Unsere deutschen Freunde hätten mit dem Abzug bis nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 warten können.“