Grüner Flieger
15. Juli 2011Weltweit reisen immer mehr Menschen mit dem Flugzeug. Die Flotten der Airlines wachsen und mit ihnen steigt auch der Bedarf an Treibstoff. Allein bei der deutschen Lufthansa-Gruppe werden jedes Jahr elf Millionen Liter Sprit verbraucht, das entspricht etwa 1.000 Tankwagen pro Tag. Mit jedem Liter Kerosin, der verbrannt wird, gelangen mehr CO2 und andere Schadstoffe in die Luft. Entsprechend schlecht ist das Klima-Image der Luftfahrtgesellschaften. Und das, obwohl die Luftfahrt global gesehen nur an zwei Prozent der ausgestoßenen Klimagase Schuld sei, erklärt der Internationale Luftfahrtverband IATA.
Das Image ist aber nur ein Grund, warum die Airlines schon vor Jahren mit der Suche nach alternativen Kraftstoffen begonnen haben. Ab 2012 wird für sie der Ausstoß von Klimagasen erst richtig teuer, dann müssen sie nämlich am europäischen Emissionshandel teilnehmen und für jede Tonne CO2 Verschmutzungsrechte kaufen. Außerdem lässt der hohe Erdölpreis die Kosten anschwellen. Immerhin macht Treibstoff bis zu 30 Prozent der Gesamtkosten aus.
Turbinen mit Biosprit befeuern
Eine Zukunftslösung könnte Biokraftstoff sein. Um zu testen, wie viel Treibhausgase beim Verbrennen solcher grünen Kraftstoffe tatsächlich ausgestoßen werden und wie sie sich auf Wartung und Lebensdauer der Turbinen auswirken, hat Lufthansa an diesem Freitag (16.07.2011) einen Langzeittest gestartet. So soll erstmals Biotreibstoff im regulären Flugbetrieb erprobt werden. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Flugzeug mit Biokraftstoff im Tank abhebt. Allerdings gab es seit 2008 lediglich einzelne Testflüge. Bei solchen Tests vertrugen die Turbinen den Biosprit problemlos. Künftig wird der Airbus A-321 ein halbes Jahr lang viermal täglich von Hamburg nach Frankfurt fliegen. Dabei wird eins seiner zwei Triebwerke mit Kerosin befeuert, das andere mit einer Mischung aus herkömmlichem Kerosin und Biosprit.
"Wir haben die Lufthansa schon bei der Auswahl des Biokraftstoffes und seiner Zusammensetzung beraten", sagt Manfred Aigner, Direktor des Instituts für Verbrennungstechnik beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Während der Erprobungsphase werden seine Mitarbeiter die Turbinen überprüfen. Die Tests laufen nicht nur in der Luft, sondern auch nachts in der Lufthansawerft, wenn der Flugbetrieb ruht. "In einer Lärmschutzhalle werden die Triebwerke am Boden so gefahren, als würde das Flugzeug fliegen," sagte Aigner DW-WORLD.DE. "Dann messen wir in regelmäßigen Abständen wie sich die beiden Triebwerke durch den Flugbetrieb verändern." Zum Schluss ziehen sie eine wissenschaftliche Bilanz.
Aigner geht davon aus, dass sich am Ende zeigen wird: Biosprit ist effizienter als Kerosin und durch ihn werden weniger Treibhausgase verursacht. Das könne je nach Herstellung der Biomasse zwischen 50 und 80 Prozent weniger CO2 sein, schätzt er. Konkrete Prognosen lieferte bereits die Lufthansa: Sie will in den sechs Monaten rund 1500 Tonnen Kohlendioxid einsparen.
Keine Konkurrenz zum Teller, aber zum Auto und zur Steckdose
Bei dem Langzeitversuch wird die Basis des grünen Kraftstoffes aus Pflanzenölen - gewonnen aus Camelina (Leindotter) und Jatropha - sowie tierischen Fetten bestehen. Schon im Vorfeld sei es nicht einfach gewesen, so große Mengen an Biosprit zu besorgen, erzählt Aigner. Vor allem weil die Lufthansa nur nachhaltig produzierte Biotreibstoffe einsetzen will. Weder Regenwälder noch Moore dürfen durch die Biomasseproduktion leiden, fordert der Konzern. Und auch der Anbau von Lebensmitteln dürfe nicht verringert werden. Der Flugzeugtank soll also nicht dem Teller Konkurrenz machen. Dafür verlangt die Airline von ihren Lieferanten, dass die Nachhaltigkeit das Biokraftstoffes zertifiziert ist.
Allerdings würden bio-betriebene Flugzeuge sicherlich zur Konkurrenz fürs Auto und auch für die Stromproduzenten. "Da stellt sich die Frage: Wer bekommt den Biosprit als Erstes und wer bekommt wie viel Prozent davon?", meint Aigner. Während Strom auch aus Wind oder Sonne produziert werden kann und Autos auch mit Wasserstoff fahren könnten, haben die Airlines nur wenige Ausweichmöglichkeiten. Kerosin lässt sich durch verflüssigte Kohle, verflüssigtes Gas oder eben Biokraftstoff ersetzen. Die CO2-Bilanz der beiden ersteren ist nicht berauschend. Mit Strom jedoch bekommt man kein Flugzeug in die Luft. Die Batterien sind zu schwach und zu schwer. Allerdings ließe sich per Windkraf-Strom Methangas herstellen, das wiederum verflüssigt werden könnte, erklärt Aigner. Da müsse man aber darauf achten, dass nicht zu viele Effizienzverluste bei der Produktion entstehen.
Umweltorganisationen schlagen Alarm
Gut für das Klima ja - aber gut für die Natur und die Menschen? Verschiedene Umweltorganisationen äußern trotz der Zertifizierung des Biosprits grundlegende Zweifel an der Nachhaltigkeit. "Die Produktion von riesigen Mengen von Agrarenergie geht auf Kosten der Menschen vor allem in den Tropen und auf Kosten der Natur", sagt Reinhard Behrend, der Vereinsvorsitzende von "Rettet den Regenwald" im Gespräch mit DW-WORLD.DE. Es sei bei sieben Milliarden Menschen kein ungenutztes Land da, dass für die Erzeugung von Agrarenergie genutzt werden könnte.
Auch die Pläne der Lufthansa, den Jatropha-Anteil im Biosprit künftig zu erhöhen, kritisiert er. Während die Airline argumentiert, Jatropha könne auch auf Böden angebaut werden, die nicht gut genug für den Ackerbau sind, hält er dagegen: "Alle Untersuchungen, beispielsweise auch vom deutschen Entwicklungsdienst GIZ, haben gezeigt: Da, wo der Boden zu schlecht ist, produziert die Pflanze nicht genügend Öl, um wirtschaftlich nutzbar zu sein." Auch von Greenpeace heißt es: Am Ende würde die Jatropha-Produktion doch die Nahrungsmittelproduktion verdrängen.
Autor: Insa Wrede
Redaktion: Henrik Böhme