Lässt Obama die Briten im Regen stehen?
22. April 2016"Es wird in absehbarer Zeit kein bilaterales Handelsabkommen zwischen Großbritannien und den USA geben", erklärte US-Präsident Barack Obama mit Blick auf das Referendum im Juni, in dem die Briten über den Verbleib in der Europäischen Union abstimmen. Sollte Großbritannien aus der EU austreten, würde ein solches Abkommen zwar verhandelt werden, sagte Obama bei seinem Besuch in London. Er betonte jedoch, im Falle des "Brexit" müsse sich London - so wörtlich - hinten anstellen. Priorität habe der Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung mit der EU.
Gleichzeitig hob Obama den besonderen Wert Großbritanniens für die EU hervor. "Großbritannien ist immer am besten, wenn es dabei hilft, ein starkes Europa zu führen", sagte der US-Präsident nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister David Cameron. Die EU sehe er derzeit nicht in einer Krise, sie stehe lediglich unter Druck.
Ein Ratschlag unter Freunden?
In einem Beitrag für die Tageszeitung "Daily Telegraph" schrieb er zuvor: "Als Ihr Freund" sage er den Briten, dass die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft den Einfluss Großbritanniens vergrößere. Die Welt sei freier, wohlhabender und könne besser auf Bedrohungen wie die russische Aggression und den Terrorismus reagieren, weil Großbritannien Teil der EU sei.
Befürworter eines Austritts hatten Obama schon vor seiner Ankunft für seine Stellungnahme in der "Brexit"-Debatte scharf kritisiert. Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson bezeichnete es als "empörend", dass die USA in dem britischen Referendum Position bezögen. Medienberichten zufolge machten zudem mehr als hundert Parlamentsabgeordnete ihrem Unmut in einem Brief an den US-Botschafter in London Luft.
"Ich biete nur meine Meinung an"
Obama hatte zuvor bereits mehrfach betont, dass er sich ein starkes Großbritannien als Mitglied einer starken Europäischen Union wünsche. Die USA fürchten, ein Austritt des Königreichs aus der EU könnte Europa massiv schwächen. Dass er sich damit in die inneren Angelegenheiten der Briten einmische, stritt der US-Präsident ab: "Ich bin nicht gekommen, um eine Abstimmung zu entscheiden. Ich biete nur meine Meinung an."
Diese dürfte Cameron entgegenkommen. Der britische Premier wirbt für den Verbleib Großbritanniens in der Union. Damit steht er innenpolitisch unter Druck. Von dem Ausgang des Referendums am 23. Juni hängt auch sein politisches Schicksal ab. Ob die Briten für oder gegen den "Brexit" stimmen werden, ist laut Umfragen offen. Bei dem Treffen Obamas mit Cameron standen außerdem der internationale Terrorismus, Russland, Syrien und Libyen auf der Agenda.
Royale Mahlzeiten in London
Für die Obamas stehen in der britischen Hauptstadt auch weniger politische Termine auf dem Programm. So verbrachten der US-Präsident und seine Ehefrau Michelle Obama den Abend auf Schloss Kensington beim Dinner mit Prinz William und seiner Frau Kate. Auch Prinz Henry nahm an dem Abendessen teil.
Zum Auftakt ihres London-Besuchs wurde das Gästepaar von Queen Elizabeth II. zu einem "privaten Mittagessen" im Schloss Windsor empfangen - einen Tag nach dem 90. Geburtstag der Monarchin. Als Geschenk überreichten die Obamas ein Fotoalbum mit einer Chronik aller USA-Besuche der britischen Königin. Am Samstag will sich Obama zum Abschluss seiner Visite in einem "Town Hall Meeting" den Fragen geladener Bürger stellen.
nin/gri (dpa, afp, rtr)