Energiewende
10. April 2013Deutschland hat ein hehres Ziel: Der Umbau der Energieversorgung weg von Kohle, Öl und Kernkraft, hin zu regenerativen Quellen. Das Schlagwort heißt Energiewende, es ist ein gigantisches Projekt - und entsprechend groß sind die Probleme. Viele Unternehmen stehen mit Ideen und Produkten bereit. Doch die Unsicherheit sei groß, sagt Friedhelm Loh, Chef von Rittal, einem führenden Anbieter von elektrischen Schaltschränken, die in jeder Produktionsanlage zu finden sind, zur DW: "Wir fragen: Was macht die Bundesregierung bei der Energiewende? Das wird mit Sicherheit auf uns alle einen großen Einfluss haben." Da schwinge viel Hoffnung mit, auch mit Blick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen. "Aber ob da vorher noch was passiert, ist eine große Frage."
Energieversorgung 2.0
Es geht um neue Gesetze, steigende Strompreise und riesige Investitionen, zum Beispiel in neue Stromtrassen. Und viele dieser Fragen sind eben noch nicht wirklich beantwortet. Für Hans-Dieter Kettwig, Chef des Windanlagenbauers Enercon, ist aber zumindest die Richtung klar, in die es gehen muss. "Die Zeiten der herkömmlichen Energieversorgung sind endgültig vorbei und werden abgelöst von einer Phase intelligenter, dezentraler und regenerativer Stromerzeugung im Energiemix." Die dezentrale Energieversorgung werde in Deutschland eine wesentliche Rolle spielen, so Kettwig im DW-Gespräch. Wenn man sich nur anschaue, dass zum Beispiel Baden-Württemberg und Bayern im Jahr 2022 keine Atomkraftwerke mehr am Netz haben sollen, "dann müssen die sich was einfallen lassen. Und der Weg - es sind ja keine zehn Jahre mehr - geht nur über eine dezentrale Energieversorgung mit den regenerativen Energien".
Bezahlbare Lösungen
Zu den Problemen, die auf diesem Weg zu lösen sind, gehören die Stromlücken, die gefüllt werden müssen, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint. Das junge Unternehmen GP Joule aus Nordfriesland zeigt in Hannover das Modell eines Energiespeichers, der überschüssige Energie mittels Elektrolyse und Biogastechnologie in Wasserstoff umwandelt. Der kann dann bei Bedarf in bestehende Gasnetze eingespeist werden. "Power-to-gas" heißt das Prinzip, das auch andere Unternehmen anbieten. GP Joule-Firmengründer und Geschäftsführer Heinrich Gärtner sieht die Vorzüge seines Systems darin, dass es konsequent auf die Fertigung für eine Massenproduktion ausgelegt sei. "Wir können schon mit sehr ausgereiften Techniken hantieren und sehr günstig produzieren." Die Technik eigne sich für eine sehr günstige Form der Energiespeicherung. "Wir wollen anhand von Pilotprojekten zeigen, dass wir tatsächlich die Kosten gut in den Griff bekommen und mit einer dezentralen Energieversorgung nicht teurer werden als mit einem massiven Netzausbau in ganz Europa."
Vernetzte Überwachung
Trotz aller kleinen Lösungen für die dezentrale Energieversorgung, die in Hannover zu sehen sind: Für eine stabile Energieversorgung, vor allem der Großindustrie, sind nach wie vor fossile Energieträger notwendig. Erdgas zum Beispiel, das im Meer gefördert wird, auf Bohrinseln. Wie man heute schon die Produktionsabläufe auf einer solchen Insel via Internet überwachen kann, zeigt ABB, ein weltweit tätiges Unternehmen der Energie- und Automatisierungstechnik.
Auf einem überdimensionalen Display ist die 3-D-Grafik der Bohrinsel zu sehen, man kann in verschiedene Bereiche hineinzoomen und sich alle möglichen Daten anzeigen lassen: Druck, Temperatur, Durchflussmengen, Stromverbrauch, aber auch einen Kompressor, der dringend gewartet werden muss. "Da können sie die Abschaltung rechtzeitig einplanen, die richtigen Leute dafür verfügbar halten, das Material beschaffen und nach der Wartung schnell wieder zum Normalbetrieb übergehen", erklärt ABB-Deutschland-Chef Peter Terwiesch.
Wenig Wartung
Damit man solche komplexen und schwer zugänglichen Anlagen wie Bohrinseln oder Windräder möglichst selten warten muss, sind spezielle Lösungen erforderlich. Die kommen oft von Unternehmen, die über viele Jahrzehnte Erfahrungen in der Industrie gesammelt haben. Zum Beispiel Baier und Köppel aus Bayern, ein Anbieter von Schmiersystemen, die jetzt auch in Windrädern zum Einsatz kommen. "Für uns war es natürlich relativ einfach, uns in die wachsenden Bedürfnisse der Windanlagenhersteller einzuarbeiten und dafür spezielle Systeme zu entwickeln", sagt Vertriebsleiter Teo Knauer. Jede Wartung bedeute, dass die Anlage steht und keine Energie produzieren kann. "Wenn aber die Systeme automatisch funktionieren, braucht man nur einmal im Jahr das Schmiermittel nachzufüllen, und den Rest regelt die automatische Schmieranlage ganz unabhängig vom Wetter."
Die Energiewende, ein deutsches Megaprojekt, das nicht nur mit Energie zu tun hat. Es ist ein Vorhaben, das viele Branchen betrifft. Nur zu verständlich, dass die Unternehmen auf klare Ansagen der Politik hoffen.