Maas ruft in Teheran zur Deeskalation auf
10. Juni 2019Der Rettungsversuch von Bundesaußenminister Heiko Maas für den umstrittenen Wiener Atomvertrag mit dem Iran hat in Teheran bislang keine greifbaren Ergebnisse gebracht. Nach einem zweistündigen Gespräch mit seinem Kollegen Mohammed Dschawad Sarif blieben die Kernstreitpunkte bestehen. Beide Seiten bezeichneten das Treffen gleichwohl als konstruktiv und bekannten sich grundsätzlich zu der Vereinbarung, die eine iranische Atombombe verhindern und dem Iran im Gegenzug wirtschaftliche Vorteile bringen soll.
Maas betonte, Deutschland, Großbritannien und Frankreich stünden zum Atomabkommen und wollten ihre Verpflichtungen daraus erfüllen. "Dabei werden wir keine Wunder bewirken. Doch wir bemühen uns nach Kräften, alles zu tun, um ein Scheitern abzuwenden."
Sarif bewertete die Gespräche als ernsthaft und deutlich, bezeichnete Maas aber mehrfach als Freund. "Wir sind großer Hoffnung, dass die Anstrengungen von unseren Freunden in Europa zum Ziel führen, zum Erhalt des Atomabkommens", erklärte er. "Wir sind bereit, in diesem Bereich zusammenzuarbeiten." Der Minister betonte zugleich, dass es ohne ein Ende der US-Sanktionen keine Lösung geben könne. "Die gesamten derzeitigen Spannungen in der Region basieren ja auf dem Wirtschaftskrieg von Herrn Donald Trump gegen den Iran", sagte der Minister. Eine Lösung und Deeskalation könne nur erreicht werden, "wenn dieser Krieg beendet wird". Deutschland und die anderen Vertragspartner im Atomabkommen sollten sich dafür einsetzen. Später kam Maas auch mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani zusammen.
Frist bis 7. Juli
Das Abkommen war 2015 in Wien nach zwölfjährigen Verhandlungen abgeschlossen worden. Neben Deutschland und dem Iran gehören Großbritannien, Frankreich, Russland, China und die USA zu den Unterzeichnern. Die USA sind jedoch vor einem Jahr ausgestiegen und setzen den Iran seitdem wieder mit massiven Wirtschaftssanktionen unter Druck. Vor einem Monat stellte auch der Iran das Abkommen infrage und setzte den anderen Vertragspartnern eine Frist bis zum 7. Juli, um die wirtschaftlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Diese wiederholte Sarif zwar nicht. Er bekräftigte aber, falls der Deal nicht umgesetzt werde, müsse der Iran "entsprechend reagieren".
Der deutsche Minister äußerte sich auch zum Finanzvehikel Instex, das eigens geschaffen wurde, um Firmen im Iran-Geschäft vor den neuen harten US-Sanktionen zu schützen. Derzeit arbeiteten die Europäer intensiv daran, das Zahlungssystem Instex in Gang zu bringen. Er rechne damit, dass in naher Zukunft die erste Transaktion über Instex abgewickelt werden könne. "Das ist ein Instrument neuer Art, deshalb ist das nicht unkompliziert", sagte der Minister. "Aber alle formalen Voraussetzungen sind geschaffen, und deshalb gehe ich davon aus, dass wir damit auch in absehbarer Zeit am Start sind."
Iran-Geschäft bricht ein
Seit Verhängung der neuen US-Sanktionen geht das Iran-Geschäft auch deutscher Firmen wieder zurück. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres halbierte sich der Handel zwischen Deutschland und dem Iran nach Angaben der Deutsch-Iranischen Handelskammer. In einer ersten Phase sollen über Instex nur humanitäre Güter in den Iran geliefert werden, später dann auch andere Produkte. Instex dürfte damit zunächst vor allem ein politisches Zeichen setzen, wirtschaftlich aber bei weitem nicht die Verluste des Iran durch den Wegfall von Erdöleinnahmen wegen der US-Sanktionen wettmachen.
Derweil zeigt sich der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Yukiya Amano, besorgt wegen der jüngsten Streitigkeiten um das iranische Atomprogramm. "Ich hoffe, dass die derzeitigen Spannungen durch einen Dialog reduziert werden können", sagte Amano bei der Eröffnung der regulären Sitzung des IAEA-Gouverneursrats in Wien. Es sei unerlässlich, dass der Iran alle Vorgaben des Atomabkommens einhalte.
Seit der Ankündigung eines Teilausstiegs aus dem Atomabkommen hat der Iran die Produktion von angereichertem Uran erhöht. "Das Tempo der Produktion steigt", bestätigte Amano. Eine Verletzung des Abkommens von 2015 leitete er daraus aber nicht ab. Wann die Menge angereicherten Urans die Höchstgrenzen des Vertrags überschreite, sei schwer zu sagen, weil die Produktion nicht immer gleich hoch sei. Laut dem jüngsten IAEA-Bericht über die iranischen Aktivitäten hatte Teheran sich bis dahin an alle Vorgaben gehalten.
Warnung vor militärischer Eskalation
Maas warnte eindringlich vor einer militärischen Eskalation. "Die Lage in der Region, in der wir uns hier befinden, ist hochbrisant, und sie ist außerordentlich ernst", sagte der Minister. Eine weitere Zunahme der Spannungen könne auch zu militärischer Eskalation führen. "Das kann in niemandes Interesse sein, und deswegen muss das unter allen Umständen vermieden werden."
Maas sprach auch Streitpunkte an, etwa das Engagement des Iran in den Kriegen in Syrien und dem Jemen. In beiden Ländern müssten die Aktivitäten der Vereinten Nationen unterstützt werden, forderte er. Die Konflikte könnten nur politisch und nicht militärisch gelöst werden. "Deshalb haben wir auch ein großes Interesse am Dialog mit dem Iran, der in diesen Regionen Einfluss hat und auch Einfluss ausübt", sagte Maas. US-Präsident Donald Trump hatte die Rolle des Iran in der Region neben dessen Raketenprogramm als einen Grund für den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen genannt.
Sarif dementiert Einmischungen
Sarif wies die vom Westen erhobenen Vorwürfe einer Einmischung in die Konflikte der Region und der Unterstützung von Terroristen vehement zurück. Auch die von den USA geforderten Verhandlungen diesbezüglich lehnte er ab. Für die Spannungen in der Region seien Israel und die USA verantwortlich. "Der Iran hat nie einen Krieg angefangen und wird dies auch nicht tun", sagte der iranische Minister. Aber falls die USA oder Israel einen Krieg gegen den Iran beginnen sollten, dann werde sich der Iran konsequent verteidigen. "Über das Ende solch eines Konflikts werden dann auch wir bestimmen, und nicht die Gegenseite", drohte Sarif.
Maas nahm Israel demonstrativ in Schutz. "Das Existenzrecht Israels gehört zur deutschen Staatsräson und ist für uns völlig unverhandelbar", sagte er. Dies sei ein Resultat aus der deutschen Geschichte und unverbrüchlich. "Und daran ändert sich ganz sicherlich nichts, weil ich hier in Teheran stehe."
Der Iran ist die letzte und wichtigste Station auf Maas' viertägiger Nahost-Reise. Bei seinen Besuchen im Irak, Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten hatte er zuvor ein Deeskalation in der Region angemahnt und Unterstützung im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) zugesagt.
kle/sti (dpa, rtr, afp, ape)