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Machtkampf an der Spitze

5. Juli 2011

Seit Monaten spielt sich im Iran ein Machtkampf zwischen dem Präsidenten und seinen ultrakonservativen Widersachern ab. Der Druck auf Ahmadinedschad wächst. Mehrere seiner Vertrauten wurden wegen Korruption verhaftet.

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Mahmud Ahmadinedschad (Foto: dpa)
Ahmadinedschad liegt mit ultra-konservativen Kräften im StreitBild: dpa

Bis vor kurzem war Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad noch Wunschpräsident und besonderer Schützling des religiösen Staatsoberhaupts Ayatollah Ali Khamenei. Dreimal war Khamenei im vergangenen Jahr höchstpersönlich in den schiitischen Wallfahrtsort Qom gereist, um Ahmadinedschad gegen dessen Kritiker unter den ultra-konservativen Ayatollahs zu verteidigen. Khamenei argumentierte, dass Ahmadinedschad der fügsamste Präsident sei, der ihn nicht herausfordere und seine Autorität nicht in Frage stelle. Doch inzwischen hat sich die Situation völlig verändert: Zwischen dem religiösen Führer und dem Präsidenten ist ein heftiger Machtkampf entbrannt.

Umstrittener Bürochef

Der Präsident und sein umstrittener Bürochef Esfandiar Rahim Mashai (Foto: AP)
Der Präsident und sein umstrittener Bürochef Esfandiar Rahim MashaiBild: AP

Der Streit der Konservativen mit Ahmadinedschad sowohl im religiösen als auch im politischen Bereich dreht sich vor allem um den Bürochef und den engsten Berater Ahmadinedschads. Esfandiar Rahim Mashai ist zugleich der Schwiegervater von Ahmadinedschads Tochter. Die Ultrakonservativen halten Mashai für einen Abweichler, der zudem politisch zu liberal, national und unislamisch sei. Und noch schlimmer: Er habe ungeheuren Einfluss auf den Präsidenten und leite ihn auf einen "falschen und gefährlichen Weg". Sie fordern seinen Rücktritt. Auch die demokratische Opposition distanziert sich von Mashai. Sie hält seine Haltung für opportunistisch: Sie sei lediglich auf die nächsten Wahlen ausgerichtet.

Trotz der Kritik der Konservativen hält der Präsident standhaft zu Mashai. Beobachter vermuten, dass er ihn oder einen Vertrauten von ihm als Spitzenkandidat seiner Fraktion für die Präsidentschaftswahl 2013 ins Rennen schicken will. Ahmadinedschad darf gemäß der iranischen Verfassung nicht wieder antreten. Doch der Druck wächst: Erst vor kurzem war der zum Vize-Außenminister ernannte, unter dem Druck der Ahmadinedschad-Gegner aber wieder zurückgetretene Mohammed Scharif Maleksadeh festgenommen worden. Maleksadeh gilt als enger Vertrauter von Mashai. Mehr als zehn von Mashais Verbündeten wurden bereits wegen Korruption, Finanzdelikten oder anderer Vorwürfe festgenommen.

Ahmadinedschad im Zentrum der Kritik

Ahmadinedschad grüßt Khamenei mit einer Verbeugung (Foto: dpa)
Das Verhältnis zwischen dem geistlichen und dem politischen Führer des Iran hat sich verändertBild: Khamenei.ir

Mitte April war ein seit langem schwelender Machtkampf im Lager der Konservativen ausgebrochen, zu denen auch Präsident Ahmadinedschad gehört. Es gab eine Menge Skandale und Enthüllungen. Ahmadinedschad und seine engsten Mitarbeiter stehen seither im Zentrum der Kritik.

Der Auslöser der Krise war der Versuch Ahmadinedschads am 17. April, seinen Geheimdienstminister zum Rücktritt zu zwingen. Dieser hatte angeblich einen engen Vertrauten des Präsidenten im Ministerium entlassen und Khamenei negative Berichte über Berater und Mitarbeiter des Präsidenten geliefert. Wenige Stunden später wurde der Minister durch Khamenei auf seinen Posten zurückbeordert.

Brüskiert von dieser Einmischung sagte Ahmadinedschad sämtliche Termine ab und tauchte elf Tage lang unter. Dieser ungewöhnliche Protest rief seine politischen und geistlichen Gegner auf den Plan. Sie warfen ihm vor, sich dem Willen Khameneis widersetzt und das System des "Wilayat al-Faqieh", der absoluten Herrschaft der Geistlichkeit, missachtet zu haben.

Schwierige Situation für den Präsidenten

Diesem Umgang mit dem Präsidenten folgte einen Monat später gleich der nächste Konflikt, ausgelöst durch die Entscheidung Ahmadinedschads, acht Ministerien auf vier zu reduzieren. Damit wurde die Zahl der Ressorts von 21 auf 17 verringert. Drei Minister verloren ihren Job. "Ohne Zustimmung des Parlaments ist das illegal", intervenierte Parlamentspräsident Ali Laridschani und forderte die betroffenen Ressortchefs auf, weiter zur Arbeit zu gehen. Und erneut stärkte Khamenei den Kritikern Ahmadinedschads den Rücken.

Mit der Ernennung eines für das Parlament unerwünschten Vertrauten als Übergangs-Ölminister gab Ahmadinedschad dem Konflikt neue Nahrung. Inzwischen hat das Parlament eine große Akte voller "ungesetzmäßiger Entscheidungen und Maßnahmen der Regierung" an die Justiz übergeben. Laut Verfassung kann dies zur Entlassung des Präsidenten führen.

Politische und wirtschaftliche Interessen

Der Hintergrund des Streits sind sowohl religiös-politische als auch wirtschaftliche Interessen. Der Kurs der Regierung Ahmadinedschads, der auf eine Islamische Republik ohne den konservativen Klerus hinsteuert, ist für die Ayatollahs inakzeptabel.

Demonstrierende Menschen mit Fahnen der Grünen Bewegung im Iran (Foto: MEHR)
2009 kam es zu großen Protesten im IranBild: Kaleme

Offenbar haben Ahmadinedschad und seine engsten Berater festgestellt, dass der politische Islam als Staatsideologie im Laufe der Jahre an Legitimation verloren hat - besonders seit den Unruhen im Sommer 2009. Sie versuchen, durch einen national orientierten Kurs zumindest einen Teil der Mittelschicht zu mobilisieren. "Iranischer Islam", heiß der neue Begriff.

"Es geht um Ressourcen und Öl-Einkommen"

Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen der vergangenen Jahre haben die Öl-Einkommen eine zentrale Rolle gespielt. Nach offiziellen Angaben hat der Iran in den vergangenen sechs Jahren rund 225 Milliarden Dollar aus Ölexporten erwirtschaftet. Ahmadinedschad möchte auch nach dem Ende der zweiten Amtsperiode die Macht über diese Ressourcen erhalten und seinen religiös-politischen Kurs verwirklichen. Ahmadinedschad und seine Berater sind deshalb darum bemüht, die Konkurrenz so weit wie möglich davon fernzuhalten.

Ayatollah Khamenei und seine konservativen mächtigen Anhänger in Parlament und Justiz sind nach dem Gesetz in der Lage, Ahmadinedschad sofort aus dem Amt zu jagen. Aber Khamenei war zuvor mit seiner Unterstützung für Ahmadinedschad so weit gegangen, dass er sich nun mit einer politischen Kehrtwende innerhalb des Systems unglaubwürdig machen würde. Experten glauben, er werde daher Ahmadinedschad in die Schranken weisen und ihn noch zwei weitere Jahre dulden.

Ein Arbeiter an einer Ölpipeline im Iran (Foto:AP)
Öl - eine der wichtigsten Einnahmequellen des IranBild: AP

Autor: Habib Husseinifard
Redaktion: Ana Lehmann