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Machtlose UN-Beobachter

Nils Naumann29. Mai 2012

Der Plan des Sondergesandten Annan sollte den Bürgerkrieg in Syrien beenden. Doch die Gewalt geht weiter. Die UN-Beobachter stehen auf verlorenem Posten. Noch aber gibt es keine realistische Alternative zum Annan-Plan.

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UN-Beobachter in Syrien (Foto: picture-alliance/dpa)
Syrien UN EinsatzBild: picture-alliance/dpa

Syrische Regierungstruppen und oppositionelle Kämpfer foltern, morden und misshandeln. Jeden Tag gibt es neue Berichte über Schießereien, Bombardierungen und Anschläge. Die jüngsten Übergriffe liegen nicht lange zurück: Bei Panzerangriffen auf Wohnhäuser im zentralsyrischen Hula, nordwestlich der Protesthochburg Homs, sind am Freitag (25.05.2012) und Samstag den UN-Beboachtern vor Ort zufolge mehr als 100 Menschen, darunter mindestens 49 Kinder, getötet worden.

Der UN-Sicherheitsrat verurteilte das Massaker. Nach einer Dringlichkeitssitzung in New York sprach das Gremium am Sonntagabend (Ortszeit) in einer Mitteilung von einer "abscheulichen Anwendung von Gewalt", die gegen internationales Recht verstoße. Der Sicherheitsrat machte die syrische Regierung mitverantwortlich für das Blutbad.

Truppen des Assad-Regimes hatten nach Aussage von Aktivisten die Siedlung Taldo mit Kanonen und Raketenwerfern beschossen. Hunderte Granaten und Raketen sollen niedergegangen sein. Die syrische Regierung hat die Verantwortung für die Taten zurückgewiesen.

Tote in Hula. (Foto: dpa)
Über 90 Menschen starben bei Angriffen auf Zivilisten in HulaBild: Reuters

Die im Annan-Plan vereinbarte und theoretisch seit April geltende Waffenruhe steht damit endgültig nur noch auf dem Papier. Immer mehr Oppositionelle bewaffnen sich. Die Freie Syrische Armee (FSA) forderte die UNO in einer Erklärung dazu auf, den Konflikt sofort zu stoppen - andernfalls sehe sie sich ihrerseits nicht mehr an die Waffenruhe gebunden. Eine Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsausschusses fürchtete bereits vor den jüngsten Ereignissen eine "zunehmende Militarisierung" des Konflikts. Generalmajor Robert Mood, Chef der UN-Beobachtermision in Syrien, sprach angesichts des schlimmsten Massakers seit Beginn der Proteste in Syrien von einer "brutalen Tragödie".

300 Beobachter für ein ganzes Land

Noch Mitte Mai hatte er sich optimistisch über seine Mission geäußert und eine "unmittelbare Beruhigung der Lage" nach der Ankunft der Beobachter festgestellt.

Robert Mood, Chef der UN-Beobachter (Foto: Reuters)
Schwierige Mission: Robert Mood, Chef der UN-BeobachterBild: REUTERS

Inzwischen sind rund 260 UN-Beobachter vor Ort. Ihre Zahl soll auf rund 300 aufgestockt werden. Auch Deutschland will sich mit bis zu zehn Militärs an der Mission beteiligen.

Die unbewaffnete UN-Truppe soll die Umsetzung des Sechs-Punkte-Plans von Kofi Annan, dem Sonderbeauftragten von UN und Arabischer Liga für Syrien, überwachen. Der Plan sieht die Aufnahme eines politischen Dialogs, den Zugang für humanitäre Organisationen, die Freilassung politischer Gefangener, Bewegungsfreiheit für Journalisten sowie Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit vor. Bisher allerdings, so Corinna Hauswedell, Friedensforscherin am Internationalen Konversionszentrum Bonn, habe das Regime keine dieser Forderungen wirklich erfüllt.

Syriens Präsident Baschar al-Assad wollte offenbar vor allem Zeit gewinnen. Assads Ja zum Annan-Plan hatte den internationalen Druck auf sein Regime zunächst verringert. Um den Konflikt wirklich zu beenden, müsste Assad aber entweder abtreten oder zumindest einen Teil der Macht an die Opposition abgeben. "Das steht aber mit Sicherheit nicht auf der Agenda des Regimes", sagt Hauswedell. Stattdessen gehen Assads Truppen weiter gegen Oppositionelle und Demonstranten vor - und das, so zeigt nicht zuletzt das Massaker von Hula, in unverminderter Brutalität.

Die Opposition hat sich bewaffnet: Kämpfer der "Freien Syrischen Armee" in Deraa (Foto: Reuters)
Die Opposition hat sich bewaffnet: Kämpfer der "Freien Syrischen Armee" in DeraaBild: Reuters

Mehr Druck auf das Regime

Auch Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zweifelt an Assads Kompromissbereitschaft. Deswegen müsse der Druck erhöht werden: "Ich würde mir wünschen, dass der UN-Sicherheitsrat versucht, durch eine Resolution noch einmal stärker auf das Regime einzuwirken." Doch das UN-Gremium ist gespalten. Die Veto-Mächte China und Russland haben sich in den vergangenen Monaten immer wieder für das Assad-Regime eingesetzt und ein schärferes Vorgehen gegen Syrien verhindert.

Einige syrische Oppositionelle fordern angesichts der schwierigen Mehrheitsverhältnisse im UN-Sicherheitrat ein militärisches Eingreifen ohne Zustimmung des Gremiums. Mützenich lehnt das ab: "Einseitige Aktionen, die ohne eine Legitimation durch internationales Recht erfolgen, werden mit Sicherheit die Situation in keiner Form lösen." Die deutsche Regierung sieht das ähnlich. Ohnehin gibt es international momentan wenig Bereitschaft, sich militärisch in Syrien zu engagieren.

Staatsbegräbnis für die Opfer eines Anschlag in Damaskus (Foto: Reuters)
Die UN schätzen, dass seit Beginn des syrischen Aufstand im Frühjahr 2011 bis zu 10.000 Menschen getötet wurden. Staatsbegräbnis für die Opfer eines Anschlag in DamaskusBild: Reuters

Keine Waffen für die Opposition

Die Friedensforscherin Hauswedell lehnt auch Waffenlieferungen an die Opposition ab: "Wir halten das für eine Kamikazepolitik, auch im Sinne einer friedlichen Regelung." Schon jetzt unterstützen Golfstaaten wie Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate die Opposition finanziell. Angeblich soll das Geld als Sold für die Rebellen verwendet werden. Dass es auch in Waffenkäufe fließt, ist nicht auszuschließen.

Corinna Hauswedell hält es für zu früh, den Annan-Plan ganz aufzugeben: "Es gibt im Moment keinen anderen gangbaren Weg." Man müsse realistisch sein, sagt auch der SPD-Außenpolitiker Mützenich. "Es ist zur Zeit der einzige Plan, wo die internationale Gemeinschaft zumindest versucht, gemeinsam voranzukommen. Wir müssen leider mit dem leben, was auf der internationalen Bühne möglich ist."

Man müsse abwarten, so Mützenich, wie sich die Lage entwickle, wenn die Mission ihre komplette Stärke von 300 Beobachtern erreicht habe.

Eines ist aber auch dem Leiter der UN-Beobachter-Mission, Generalmajor Robert Mood, klar: "Wenn die Konfliktparteien dem Dialog keine wirkliche Chance geben wollen, dann können auch die Beobachter, egal, wie viele sie sind, die Gewalt nicht dauerhaft beenden."