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Machtwechsel in Albanien

Pandeli Pani (z. Z. Tirana)25. Juni 2013

Die oppositionellen Sozialisten haben die Parlamentswahl gewonnen. Neuer Premier wird nun ihr Spitzenkandidat Edi Rama. Ministerpräsident Sali Berisha räumte seine klare Niederlage ein - und trat zurück.

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Porträt des Sozialisten-Führers Edi Rama (Foto: Arben Muka)
Bild: Arben Muka

Das rechte Wahlbündnis "Allianz für Arbeit, Wohlfahrt und Integration" um die Demokratische Partei von Sali Berisha stand gewissermaßen für den schon konstituierten "Wandel". "Die Wahlkampfparole 'Wir sind der Wandel - Vorwärts' sollte verdeutlichen, dass sich Albanien längst der Moderne geöffnet habe", sagt Thomas Schrapel, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Albanien. Das oppositionelle Wahlbündnis "Allianz für ein Europäisches Albanien" um den Sozialistenführer Edi Rama (Foto) warb dagegen für eine völlige "Wiedergeburt" - und konnte damit die Wähler überzeugen. Die Sozialisten kamen auf 84 der 140 Abgeordnetenmandate.

"Links" und "Rechts" im albanischen politischen Sprachgebrauch entspricht jedoch nur teilweise dem deutschen Verständnis, bemerkt Thomas Schrapel und stellt fest: "Evidente ideologische Unterschiede, die eine eher im rechten oder linken Lager zu sehende Verortung der beiden Parteien begründen könnten, sind in der Gegenwart kaum zu beobachten."

Gründe für den Stimmenverlust der regierenden Demokraten

Die Gründe für die erdrutschartige Niederlage der rechten Koalition sieht der Politikwissenschaftler Artan Puto von der Universität Tirana nicht nur bei der fehlenden inhaltlichen Profilierung, sondern in erster Linie bei dem Autoritarismus von Sali Berisha, der wie kein anderer Mann die albanische Politik seit dem Ende der kommunistischen Diktatur geprägt hat. "Berisha versuchte zum einen, alle drei Bereiche der Staatsgewalt, also die Legislative, die Exekutive und die Judikative zu dominieren. Zum anderen wollte er nicht nur die politische, sondern auch die wirtschaftliche Macht in seiner Hand beziehungsweise in den Händen eines mit ihm eng verbundenen kleinen Kreises konzentrieren", erklärt Puto im DW-Gespräch. "Darüber hinaus war die Regierung Berisha nicht in der Lage, die schweren wirtschaftlichen Probleme des Landes zu meistern. All das führte dazu, dass die Wähler ihn bei diesen Wahlen bestraft haben."

Wahlhelfer zählen in Tirana die Stimmzettel aus (Foto: Arben Muka)
Auszählung der Stimmen in TiranaBild: DW/Arben Muka

Als einen weiteren Grund für diese überraschende Niederlage sieht der Analyst Luan Hajdaraga aus Tirana, dass er sein Wahlversprechen, die massiven sozialen Probleme der Albaner zu lösen, nicht eingehalten hat. "Berisha ist während der Wahlkampagne von einer feierlichen Einweihung eines Straßensegments zur anderen geeilt. Diese haben jedoch wenig zur Verbesserung der sozialen Lage der Albaner beigetragen. Und wenn er den Wählern nicht sagt, was er während seiner Amtszeit realisiert hat, sondern nur, was er in der kommenden Amtszeit vor hat, dann kann er keine Stimmen gewinnen", so Hajdaraga im DW-Interview.

Frei und durchaus fair

Nach allen vorliegenden Erkenntnissen und Beobachtungen sind diese Parlamentswahlen wahrscheinlich die am bisher besten verlaufenen Wahlen in Albanien - obwohl sie von einem Toten, zwei Verletzten und einigen anderen Zwischenfällen überschattet waren. In der Nähe eines Wahllokals in der Hauptstadt wurde ein linker Aktivist erschossen, bestätigte die Polizei. Trotzdem habe er im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2009 und den Kommunalwahlen 2011 eine Reihe von Fortschritten sehen können, sagt Roberto Batelli, Sonderkoordinator der Kurzzeitbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und Leiter der Delegation der Parlamentarischen Versammlung der OSZE: "Die Wahlen waren frei und durchaus fair".

Diese Meinung teilt auch Thomas Schrapel von der KAS in Albanien. Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagt er: "Es ist das Verdienst des amtierenden Premierministers Berisha, dass es nach der Wahl zu keinen nennenswerten Exzessen kam. Er hatte rechtzeitig klar gemacht, dass er die offiziellen Ergebnisse der Wahlkommission anerkennen werde." Das sei wichtig für Albaniens Weg in die EU.

Veränderungen nur im Staatsapparat?

Die Demokraten und die Sozialisten befürworten beide eine stärkere euroatlantische Integration des Landes und stehen sich ideologisch sehr nahe. Beide großen Parteien haben immer wieder im Wahlkampf die prekäre soziale Situation der Albaner angesprochen und die Schaffung vieler neuer Arbeitsplätze versprochen. Inhaltliche Profilierungen gegenüber dem politischen Gegner blieben allerdings aus. "Es gab faktisch kaum glaubhafte oder nachvollziehbare Unterschiede in den Wahlprogrammen", bemerkt Schrapel. Das heißt auch, dass der Regierungswechsel programmatisch wohl nur wenig neue Farben bringen wird.

Wahlplakate in der Hauptstadt Tirana (Foto: DW/Pandeli Pani)
Wahlplakate in der HauptstadtBild: DW/P. Pani

Allerdings wird es nach einem Sieg der Sozialisten - da sind sich fast alle politischen Beobachter einig - wohl zu vielen Veränderungen im Staatsapparat kommen. Der Koalitionspartner von Edi Rama, Ilir Meta (LSI), der kurz vor Beginn der Wahlkampfphase die Koalition mit Berisha brach, hat seiner Wählerschaft Arbeitsplätze in der öffentlichen Verwaltung versprochen. Außerdem entspricht es der Gepflogenheit in der stark verankerten albanischen Günstlingswirtschaft, dass nach einem Regierungswechsel fast die gesamte öffentliche Verwaltung mit Vertretern der Siegerpartei besetzt wird.

Test für die demokratische Reife des Landes

Bei diesen Wahlen stand Albanien unter besonderer Beobachtung, weil das Land in absehbarer Zeit den Kandidatenstatus für die EU-Mitgliedschaft bekommen will.

Die EU hat Albanien dreimal in Folge den Kandidatenstatus verweigert, unter anderem auch, weil das Land seit der Wende vor zwei Jahrzehnten noch nie in der Lage war, eine Wahl durchzuführen, die internationalen Standards der Fairness und Transparenz genügt hätte. Aus diesem Grund sieht Brüssel diese Wahl als einen Test für die demokratische Reife des Landes.