Macron ernennt Mitte-Politiker Bayrou zum neuen Premier
13. Dezember 2024Nach dem Sturz der Mitte-Rechts-Regierung unter Ministerpräsident Michel Barnier hat Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron den Zentrumspolitiker François Bayrou zum Premierminister ernannt. Das teilte der Élyséepalast in Paris mit. Macron hatte Bayrou am Morgen für knapp zwei Stunden im Elysée empfangen. Schon seit langem gilt Bayrou, dessen Partei MoDem mit Macrons Renaissance kooperiert, als enger Vertrauter des Staatspräsidenten.
Der 73-Jährige wird von den Konservativen geschätzt. Grüne und Sozialisten hatten sich hingegen mehrfach gegen Bayrou ausgesprochen, der aus ihrer Sicht keinen Neuanfang, sondern die Fortführung der bisherigen Politik bringen würde.
Politisches Urgestein aus der Provinz
Der aus der Region der Pyrenäen stammende Bayrou zählt in Frankreich zum politischen Urgestein: als langjähriger Bürgermeister der südwestfranzösischen Stadt Pau, Abgeordneter in der Nationalversammlung und im Europaparlament, als Bildungs- und Justizminister. Drei Mal trat er vergeblich bei der Präsidentschaftswahl an, zuletzt 2012. Bei der Wahl 2007 war er mit 19 Prozent auf den dritten Platz gekommen.
Bayrou gehört zu den wenigen in den hohen politischen Sphären Frankreichs, die keine Pariser Eliteschulen durchlaufen haben. Er stammt aus einer Bauernfamilie aus einem Dorf am Fuße der Pyrenäen, heiratete mit 20, zog mit seiner Frau sechs Kinder groß und hat heute eine beachtliche Enkelschar. Bayrou spricht fließend Béarnais, den Dialekt seiner Region, und setzt sich für eine stärkere Berücksichtigung der Regionalsprachen in Frankreich ein.
Flucht Macrons nach vorn
Ob Bayrou dennoch eine regierungsfähige Mehrheit in der Nationalversammlung in Paris zustande bekommt, ist ungewiss. Die Sozialisten haben sich dafür offen gezeigt, eine Mitte-Regierung zu dulden. Ob es aus dem linken Lager aber doch Unterstützung für einen explizit abgelehnten Premier geben wird, ist äußerst fraglich.
Macron, der durch den Sturz der Regierung selbst unter Druck steht, wagt mit der Nominierung die Flucht nach vorn. Angesichts der politischen Krise gab es aus den Reihen der französischen Opposition Rücktrittsforderungen an ihn.
Offiziell ist Macron noch bis 2027 im Amt. Nach zwei Amtszeiten kann er dann nicht erneut antreten. Die Rechtsnationalen, deren Kandidatin Marine Le Pen zweimal in der Stichwahl gegen Macron verlor, wollen auf den Liberalen im Élyséepalast folgen.
Regierung soll nicht von Le Pen abhängen
Weder das linke Lager noch Macrons Mitte-Kräfte noch die Rechtsnationalen und ihre Verbündeten haben eine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung. Erwartet wird, dass die Konservativen und Teile des linken Lagers Macron zumindest eine Duldung des neuen Premiers zugesagt haben. Bei einer Duldung statt einer breiten Koalition hätte die Regierung keine eigene Mehrheit und wäre entsprechend fragil.
Bei der Absprache der Parteien geht es neben einem Mindestmaß an Stabilität vor allem darum, dass die neue Regierung nicht wie schon Barniers vorherige Minderheitsregierung von Le Pens Rechtsnationalen abhängt. Barniers Mitte-Rechts-Kabinett überstand nicht einmal drei Monate, bis die Opposition aus linken Kräften und Rechtsnationalen es durch einen ungewöhnlichen Schulterschluss am 4. Dezember stürzte.
Sparhaushalt bleibt wichtigste Aufgabe
Bayrou wäre - wenn er dann gewählt wird - bereits der vierte Ministerpräsident in Paris in diesem Jahr. Mit der schnellen Ernennung nur eine Woche nach dem Regierungssturz will Macron auch verhindern, dass Frankreich noch tiefer in die politische Krise und wirtschaftliche Schieflage gerät.
Das Land muss wegen seiner zu hohen Neuverschuldung sparen. Am geplanten Sparhaushalt für das kommende Jahr scheiterte jedoch die Regierung Barniers. Vordringliches Ziel des neuen Regierungschefs wird daher die Etatverabschiedung sein. Zunächst soll ein Notgesetz verabschiedet werden, um den Haushalt für 2024 zu verlängern. Der Etat für 2025 soll dann Anfang des kommenden Jahres durch das Parlament gebracht werden.
sti/se (afp, dpa, rtr)