Bodentruppen: Macron schließt Einsatz in Ukraine nicht aus
27. Februar 2024"Nichts darf ausgeschlossen werden. Wir werden alles Notwendige tun, damit Russland nicht gewinnt", sagte Emmanuel Macron im Elysée-Palast in Paris. Derzeit gebe es aber noch keinen Konsens über die Entsendung europäischer Soldaten. Jedes Land könne eigenständig und souverän über den Einsatz von Bodentruppen entscheiden. "Viele, die heute sagen 'niemals, niemals', sind dieselben, die vor zwei Jahren sagten 'niemals Panzer, niemals Flugzeuge, niemals Langstreckenraketen'", erklärte er.
"Wir sollten die Bescheidenheit haben zuzugeben, dass wir oft sechs bis zwölf Monate zu spät gehandelt haben. Das war das Ziel der Diskussion heute Abend: Alles ist möglich, wenn es uns hilft, unser Ziel zu erreichen." Europa sollte nicht von den Vereinigten Staaten abhängig sein, um in der Ukraine zu kämpfen.
Eine russische Niederlage sei nötig für die Stabilität und Sicherheit in Europa. Deshalb müssten sich die Unterstützer der Ukraine einen Ruck geben. "Wir sind dabei, unsere Sicherheit heute und morgen zu gewährleisten", sagte Macron. "Wir wollen nicht mit dem russischen Volk in einen Krieg treten", versicherte der Präsident. Macron begrüßte auch den Vorschlag Estlands, gemeinsame Schulden aufzunehmen, um die Militärhilfe für die Ukraine zu finanzieren.
Weitere NATO-Staaten erwägen Entsendung
Mehrere Mitglieder der NATO und der Europäischen Union erwägen nach Angaben des slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, auf bilateraler Basis Soldaten in die Ukraine zu schicken. "Ich kann bestätigen, dass es Länder gibt, die bereit sind, eigene Truppen in die Ukraine zu entsenden, es gibt Länder, die dagegen sind, darunter die Slowakei, und es gibt Länder, die sagen, dass dieser Vorschlag in Betracht gezogen werden muss", erklärte Fico.
Bislang haben es die NATO-Staaten vermieden, eigene Soldaten in die Ukraine zu schicken, weil immer wieder betont wurde, dass es sich nicht um einen Konflikt der NATO gegen Russland handele. Allerdings haben die Regierungen der NATO-Mitgliedsländer in großem Umfang Waffen und Munition geliefert und sie bilden ukrainische Streitkräfte aus.
Koalition für Raketenlieferung
Macron kündigte zudem eine neue Koalition für die Lieferung von Mittel- und Langstreckenraketen für die Ukraine an. Er erwähnte jedoch nicht, welche Länder sich in welcher Form daran beteiligen sollten. An der Hilfskonferenz nahm auch Bundeskanzler Olaf Scholz teil. Er hatte erst kurz zuvor der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine eine klare Absage erteilt und dies mit dem Risiko einer Verwicklung Deutschlands in den Krieg begründet.
Angesichts der Eskalation der russischen Aggression in den vergangenen Wochen ist die Versorgung mit Munition für die Regierung in Kiew zu einem großen Problem geworden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Sonntag erklärt, dass die EU hinter ihrer Zusage, 2023 eine Millionen Schuss Artilleriemunition zu liefern, noch weiter zurückgeblieben war als bislang bekannt. Lediglich 30 Prozent seien bislang angekommen. "Das war ein unvorsichtiges Versprechen", sagte Macron dazu.
Prag startet Munitionsinitiative
Fortschritte gab es in diesem Zusammenhang bei einer Initiative der Tschechischen Republik, Hunderttausende Schuss Munition in Drittländern zu kaufen. Rund 15 Staaten haben Interesse an dem tschechischen Vorstoß bekundet. "Eine Reihe von Staaten hat sich der Initiative mitten in den Verhandlungen angeschlossen oder meine Kollegen haben mir gesagt, dass sie die Initiative bald diskutieren werden", sagte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala nach dem Treffen in Paris. "Ich denke, dass die Initiative breite Unterstützung finden wird, ich schätze, dass es 15 Staaten sein werden", fügte er hinzu.
Die Tschechische Republik ist federführend dabei, Geld für den raschen Ankauf von Artilleriemunition aus Drittstaaten für die Ukraine zu sammeln. Der niederländische Premierminister Mark Rutte sagte 100 Millionen Euro zu. Die Länder, die die Munition liefern würden, hätten darum gebeten, nicht namentlich genannt zu werden, sagte Rutte. "Ich glaube, dass es ein großes Gefühl der Dringlichkeit gibt, vor allem für die kurzfristige Beschaffung von Munition und Flugabwehr", sagte Rutte, "und ich hoffe, dass andere Länder folgen werden".
Auf Einladung von Macron waren 21 europäische Staats- und Regierungschefs in Paris zusammengekommen, um über die weitere Hilfe für die Ukraine nach zwei Kriegsjahren zu beraten. Anlass dafür sei die Tatsache, dass Russlands Position sich immer weiter verhärte, erklärte Macron. Dies zeige sich an der Planung neuer Angriffe in der Ukraine, am Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny, aber auch an Destabilisierungskampagnen in westlichen Ländern.
An dem Treffen nahmen auch Vertreter der USA, Kanadas und Großbritanniens teilt. Die Pariser Konferenz biete die Gelegenheit, ein "Signal der europäischen Einheit und Geschlossenheit sowohl an die ukrainische Bevölkerung als auch an den russischen Präsidenten (Wladimir) Putin" zu senden, hieß es in Berlin.
Paris stockt Militärhilfe auf
Frankreich war zuletzt in die Kritik geraten, weil es im Vergleich zu Deutschland erheblich weniger Militärhilfe für die Ukraine geleistet hat. Im vergangenen Jahr hatte Frankreich nach eigenen Angaben militärische Unterstützung in Höhe von 2,1 Milliarden Euro aufgebracht. 2022 waren es 1,7 Milliarden Euro gewesen. Für das laufende Jahr sind bis zu drei Milliarden zugesagt. Nach Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft ist Deutschland seit Kriegsbeginn der größte europäische Geber von Militärhilfe mit einem Gesamtvolumen von 17,7 Milliarden Euro.
Die Ukraine geht angesichts der stockenden Militärhilfe ihrer Verbündeten geschwächt in das dritte Kriegsjahr. Ein milliardenschweres Hilfspaket der USA wird derzeit durch die republikanische Opposition im Repräsentantenhaus blockiert.
kle/jj (rtr, afp, dpa)