Macron warnt vor "Rückzug ins Nationale"
6. Oktober 2017Der "Rückzug in Nationale" sei für Europa die "schlechteste Option", sagte der französische Staatspräsident in einem Interview des ZDF-"heute-journals". Als größtes Risiko für Europa bezeichnete er eine Spaltung des Kontinents und das Fehlen eines gemeinsamen Projekts. "Die Extreme nehmen zu und werden gestärkt durch unsere Unfähigkeit, der Mittelschicht zum Erfolg zu verhelfen." Europa brauche ein Projekt und müsse jedem Einzelnen eine Perspektive und Fortschritt bieten, betonte Emmanuel Macron.
Wachstum als Mittel gegen Ungleichheit
Wachstum ist für Macron dabei ein entscheidender Faktor. Für die Überwindung von Arbeitslosigkeit und sozialer Ungleichheit bedürfe es wirtschaftlichen Wachstums, sagte der Präsident. Die Herausforderung bestehe darin, den Kontinent wieder auf Wachstum auszurichten. Wachstum bedeute, Ungleichheiten zu verringern. Notwendig sei dafür ein gleichmäßig verteiltes Wachstum. Und dafür brauche Europa Ausbildung für alle und ein gesellschaftliches Projekt.
Kritik an Europas Selbstzweifeln
Zugleich ging Macron in dem ZDF-Interview mit dem derzeitigen Zustand Europas hart ins Gericht: "Ich glaube, alle Spaltungen in Europa erwachsen aus einer Zukunfts-Unfähigkeit, wir zweifeln an uns selbst und igeln uns ein." Die vergangenen zwölf Jahre seien Jahre des Selbstzweifels gewesen, man könne fast von einer Art "europäischem Bürgerkrieg" sprechen.
Die europäischen Länder hätten eher die Unterschiede betont und Egoismen ausgelebt. "Uns fehlt die gegenseitige Solidarität und manchmal auch die nötige Verantwortung - die einen haben nicht reformiert, die anderen waren nicht solidarisch."
All das habe dazu geführt, dass Europa den Zustand der Welt, die uns umgibt, nicht richtig wahrgenommen habe. Denn die stellt die Europäer, da ist sich Macron sicher, vor riesige Herausforderungen. Ausdrücklich nennt er die Themen Migration und Terrorismusbekämpfung sowie Digitalisierung, Umweltschutz und die Entwicklung Afrikas.
Der Selbstzweifel der Europäer verführe manche Mitbürger dazu, die Radikalität zu suchen. Er sei zutiefst überzeugt, "um mit dieser Herausforderung fertig zu werden, brauchen wir eine europäische Strategie. Unsere Nationen müssen wir zwar stolz verteidigen, aber wir brauchen eine europäische Politik der Souveränität, der Einheit und der lebendigen Demokratie."
Macron hatte zuletzt in einer Grundsatzrede an der Pariser Sorbonne-Universität eine schnellere, effizientere und stärkere EU gefordert und eine ganze Serie von Reformen verlangt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ihn für diesen Vorstoß gelobt.
qu/se (dpa, ZDF)