Spannung und Nervosität in Spanien
10. Oktober 2017Kurz bevor das katalanische Parlament zusammenkommt, blickt die spanische Zentralregierung in Madrid gebannt und nervös auf Barcelona. Die Sicherheitsvorkehrungen vor Ort wurden verschärft, vor dem Parlamentsgebäude zusätzliche Polizeieinheiten in Stellung gebracht.
Abermals drängte die Zentralregierung den Regionalpräsidenten Carles Puigdemont zum Verzicht auf eine Unabhängigkeitserklärung. Regierungssprecher Íñigo Méndez de Vigo sagte in Madrid, er bitte Puigdemont, "nichts Unumkehrbares zu tun".
Es droht der Entzug des Autonomiestatus'
Der katalanische Regionalpräsident solle keinen "Weg einschlagen, von dem es kein Zurück gibt", keine "einseitige Unabhängigkeitserklärung" verkünden. Ministerpräsident Mariano Rajoy hat für diesen Fall bereits mit dem Entzug des Autonomiestatus' der Region im Nordosten von Spanien gedroht. Beobachter halten auch eine Festnahme des 54-Jährigen und anderer Separatisten für nicht ausgeschlossen.
Rede verschoben - internationale Vermittlung?
Die Rede Puigdemonts war zunächst für 18 Uhr geplant. Sie verzögerte sich derweil. Die Fraktionschefs der Parteien nahmen nach Angaben einer Parlamentssprecherin Beratungen auf. Die französische Nachrichtenagentur AFP meldet, nach Angaben der katalanischen Regionalregierung bestehe die Möglichkeit einer internationalen Vermittlung. In örtlichen Medien wird spekuliert, Grund für die Verschiebung könnte Uneinigkeit im Lager der Unabhängigkeitsbefürworter sein, wie weit Puigdemont in seiner Rede gehen solle, um die Loslösung von Spanien voranzutreiben.
Tausende Befürworter der Unabhängigkeit haben sich in der Nähe des Parlaments zu einer Kundgebung versammelt. Auf Großbildschirmen verfolgen sie das Geschehen in und um das Parlament. Die katalanische Polizei hat alle Zugänge zum Park, in dem das Parlament liegt, mit gepanzerten Fahrzeugen und beamten mit automatischen Waffen abgeschirmt.
Auch innerhalb der EU steigt die Nervosität. Die Kommission in Brüssel rief beide Seiten zu Gesprächen auf: "Wir appellieren an alle Beteiligten, die Konfrontation so schnell wie möglich zu beenden und einen Dialog zu starten", sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel. Bereits am Montagabend hatte auch die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, an Puigdemont appelliert, nicht die Unabhängigkeit auszurufen. Es müsse Zeit für Verhandlungen gewonnen werden.
Bei einem illegalen Referendum hatten sich am 1. Oktober 90 Prozent der Teilnehmer für eine Unabhängigkeit ausgesprochen. Allerdings lag die Wahlbeteiligung nur bei 43 Prozent, denn viele Gegner einer Abspaltung hatten die Abstimmung boykottiert.
uh/sti (afp, rtr, dpa)