Medienzensur in Venezuela
15. August 2014Im Handelsregister von Madrid ist das Unternehmen unter der Nummer "H M 562552" eingetragen. "Epalisticia SL" widmet sich "dem Kauf, Verkauf, der Vermietung, Aufteilung und Erschließung von Grundstücken, Ländereien und Höfen jedweder Art". Die Firma wird aktuell von acht Angestellten geleitet, die alle erst seit dem 26. Mai 2014 auf ihren Positionen sind. Bekannt geworden sind sie nicht durch den Kauf eines Grundstücks, sondern einer Zeitung: "El Universal", ein regierungskritisches Traditionsblatt aus Venezuela.
Weniger Vielfalt, weniger Debatten
Kritische Artikel wird "El Universal" ab sofort nicht mehr so häufig veröffentlichen: Ein neues "Handbuch für Stil und Ethik" gibt die Regeln vor. 26 Mitarbeiter genügten nach Ansicht der neuen Chefs diesem Regelwerk nicht und wurden entlassen. Damit ist innerhalb von eineinhalb Jahren das dritte unabhängige Medium in Venezuela unter merkwürdigen Umständen verkauft worden: Vorher hatten der TV-Sender "Globovisión" und die Verlagsgruppe "Cadena Capriles" die Besitzer und auch die Ausrichtung gewechselt.
Dabei diene der neue "Ehrenkodex" ganz anderen Zwecken, vermutet Carlos Correa, Direktor der venezolanischen NGO "Espacio Público": "Das Handbuch ist nur ein Ablenkungsmanöver für eine andere Maßnahme, bei der es um einen grundsätzlichen Wechsel der verlegerischen Linie geht. Das Blatt soll weniger regierungskritisch werden. Die Folge ist, dass es in der Presse weniger Vielfalt und weniger Debatten gibt."
Die neue Macht des Präsidenten
Die unabhängige Organisation "Freedom House" hat Venezuelas Presse zuletzt 1992 als "frei" bezeichnet. Seither wird das Land nach hinten durchgereicht und liegt mittlerweile auf dem 171. von 197 Plätzen. Auffällig ist, wie geschickt die Regierung von Präsident Nicolás Maduro gegen kritische Presse vorgeht: Statt mit platter Zensur arbeitet sie mit ihr genehmen Privatleuten, die den Sender oder die Zeitung auf Linie bringen und sich erstaunlich wenig um Profit und Kunden kümmern.
Das ist eine ziemlich clevere Strategie, findet der Analyst Daniel Lansberg-Rodriguez vom Comparative Constitutions Project der Universität Texas: "Wenn jemand der Regierung und ihren Anhängern Zensur vorwerfen will, werden sie darauf hinweisen, dass ein großer Teil der venezolanischen Medienindustrie in unabhängigen und privaten Händen ist." Auch das zeigt die neue Macht des Präsidenten.
Opposition verhaftet, Partei auf Linie
Noch vor einem halben Jahr schienen die Tage von Nicolás Maduro eigentlich gezählt. Angesichts der katastrophalen Versorgungslage, der Kriminalität und monatelanger gewalttätiger Proteste gegen die Regierung mit Dutzenden Toten und Hunderten von Verletzten war es für viele Beobachter nur noch eine Frage der Zeit, bis der Nachfolger des legendären Hugo Chávez seinen Stuhl räumen müsste. Doch Maduro hat es allen Kritikern gezeigt. Heute sitzt er fester im Sattel denn je.
Das hat zwei Gründe: Maduros Regime hat nicht nur unliebsame Oppositionspolitiker unter fadenscheinigen Argumenten ins Gefängnis gebracht. Er hat die vor allem von Studenten angeführten Proteste blutig unterdrücken und schließlich ins Leere laufen lassen. Bis heute verkauft er das als Sieg über von den USA gesteuerte Verschwörungen gegen Venezuela. Seine bis dahin durchaus gespaltene und keineswegs geschlossen hinter ihm stehende sozialistische Einheitspartei PSUV hat das offenbar überzeugt: Beim Kongress Ende Juli traten die Delegierten wie ein Block auf und machten Maduro zum Parteichef.
Oppositionsstrategie geht nicht auf
Der andere Grund für Maduros neue Macht ist der jämmerliche Zustand der venezolanischen Opposition: Personell ausgeblutet, in mehrere, untereinander zerstrittene Fraktionen zerfallen, uneins über die politische Linie: Das Bündnis Mesa de la Unidad Democrática (MUD) stellt aktuell keine Gefahr dar für den Machthaber. Zumal der bisherige MUD-Chef Ramón Guillermo Aveledo gerade entnervt zurückgetreten ist.
Klar ist, dass die Opposition keine ihrer Strategien durchsetzen konnte: Der Versuch, mit massenhaften Straßenprotesten einen Regierungswechsel zu erzwingen, ist gescheitert. Und auch die Idee des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Henrique Capriles, einfach abzuwarten, hat nicht funktioniert: "Wir lassen die ökonomische und soziale Krise ihre Arbeit machen, denn wir wussten ja, dass sie kommen würde. Wir müssen sie dann nur noch zu einer politischen Krise machen." Eine Einstellung, die an Zynismus grenzt.
Unumstrittener Präsident
Ganz offensichtlich gelingt es der MUD nicht, die Massen in den Armenvierteln, die am Subventionstropf der Regierung hängen, anzusprechen. Und wie sicher sich Präsident Maduro seiner Macht ist, zeigt sein neuester Vorschlag: Der Benzinpreis, bisher bis zum Anschlag subventioniert, soll auf realistische Werte steigen. Einen VW Golf vollzutanken, kostet in Venezuela heute 64 Eurocent.
Die letzte Benzinpreiserhöhung vor 25 Jahren hatte einen Volksaufstand mit fast 300 Toten ausgelöst. So etwas muss Maduro heute nicht fürchten. Genauso wenig wie eine kritische Presse.