Malawi setzt auf Mais
30. August 2011Dorica Somanje sitzt im Dorf Robert im Schatten eines strohgedeckten Hauses aus Lehmziegeln und schüttelt resigniert den Kopf. Ein schlechtes Jahr sei es gewesen. Die Felder hätten nicht so viel abgeworfen, wie erhofft. Nun werde der Mais wieder nicht bis zur nächsten Ernte reichen - wie auch früher schon.
Malawi ist eines der am wenigsten entwickelten Länder der Erde. Achtzig Prozent der Bevölkerung leben auf dem Land, die meisten betreiben wie Dorica Somanje Subsistenzwirtschaft. In vielen Haushalten reicht die Ernte gerade einmal zum Überleben. Die Böden bringen kaum Erträge, viele Jahre Monokultur haben sie ausgelaugt. Ohne Dünger werfen die kleinen Parzellen kaum etwas ab. Doch fünfzig Kilogramm Kunstdünger kosten die Bauern 4500 Kwacha, das sind in etwa 22 Euro. Deutlich mehr, als die meisten hier in Robert im Süden Malawis jemals in den Händen gehalten haben.
Umstrittene Subventionen
Trotzdem konnte Dorica Somanje in den letzten Jahren ihre Felder düngen. Denn Malawi hat in einem finanziellen Kraftakt beschlossen, der Hälfte seiner Bauern verbilligten Dünger zur Verfügung zu stellen. "Einmal im Jahr gehen wir in die Dorfschule, dort bekommen wir einen Gutschein", erzählt die Bäuerin. Mit dem Gutschein zahlen sie statt 4500 Kwacha für einen 50 kg-Sack Kunstdünger nur noch 500 Kwacha (2,50 Euro).
Internationale Finanzorganisationen stellten sich zunächst gegen das Programm. Sie befürchteten starke Marktverzerrungen und obendrein ein tiefes Loch im Staatshaushalt. Zehn Prozent seiner Ausgaben wendet Malawi für die Subventionen auf. Doch die Regierung setzte sich durch. "Jahrelang hatten wir Nahrungsmittelknappheit", rechtfertigt Christine Mtambo, die im Landwirtschaftsministerium für das Programm zuständig ist, die Ausgaben. "Aber seit wir das Programm eingeführt haben, produzieren wir jedes Jahr einen Überschuss."
Dorica Somanje spürt nichts von einem Überschuss. Sie hat wie die Jahre zuvor den Dünger auf ihrem Feld ausgebracht. Doch dann fiel der Niederschlag in der Regenzeit zu gering aus, im Süden Malawis blieb der Boden viel zu trocken. Der Mais, Grundnahrungsmittel in Malawi, der meist zu einem dicken Brei verkocht gegessen wird, ist Dorica auf den Feldern verdörrt. Dabei hat die 45-Jährige noch Glück. Als einer von zehn Haushalten im Dorf, hat sie eine kleine Parzelle Land, das mit einer Wasserpumpe bewässert werden kann. So kann sie auch in der Trockenzeit etwas anbauen.
Die Pumpe stellt die Organisation World Vision. Eigentlich, so der Gedanke, sollten die Bewohner hier Gemüse und andere Produkte anbauen, die sie verkaufen können. "Lebensmittelsicherheit bedeutet nicht automatisch, genug Mais zu haben", sagt Esau Mwendo-Phiri, Leiter des Programms Lebensmittelsicherheit von World Vision. Es sei wichtig den Bauern zu erklären, dass sie Gemüse anbauen können, um es auf dem Markt anzubieten. Mit den so erzielten Einnahmen solle der Kauf von Grundnahrungsmitteln ermöglicht werden. Bis jetzt ist die Botschaft aber nicht angekommen. "Manchmal verkaufen wir ein paar Erdnüsse am Straßenrand", sagt Dustin Lihonga, Dorica Somanjes Vater. "Aber lieber behalten wir die Ernte. Wir wollen ja genug zu essen haben."
Hoffnung auf gute Ernte
So wird auch Dorica auf Nummer sicher gehen. Sie wird auf dem Bewässerungsland Mais anbauen, selbst wenn das nicht ausreichen wird. Ein wenig Dünger hat sie beiseite gelegt, als sie gesehen hat, dass die Ernte nicht so ausfallen wird, wie von ihr erhofft. Genug ist das nicht. Sie könnte bei World Vision zusätzlichen Dünger auf Kredit bekommen. Einzige Bedingung: Nach der Ernte müsste sie anderthalb Säcke Mais zurückgeben. Doch immer weniger Menschen im Dorf gehen auf dieses Angebot ein. "Das lohnt sich für uns nicht", sagt Dustin Lihonga kategorisch.
Tom-Frank Njikho ist landwirtschaftlicher Berater der Regierung, zuständig für Robert und die umliegenden Dörfer. Er rechnet vor, dass Dorica mit 25 Kilogramm Kunstdünger zehn Säcke Mais mehr ernten könnte als ohne. Gibt sie eineinhalb zurück, blieben ihr noch achteinhalb. Dafür, dass so viele Bauern das Angebot ablehnen, hat er eine einfache Erklärung: "Abhängigkeitssyndrom. Die Leute haben sich daran gewöhnt, Hilfe zu erhalten. Dass sie etwas zurückgeben müssen, ist neu für sie."
Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Beatrix Beuthner