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Kunst

Maler der depressiven Räume

7. Oktober 2016

Der englische Maler Francis Bacon zeigte den Menschen als schutzloses und verwundbares Wesen. Weniger Beachtung fand bisher, wie der Maler Räume darstellte. Das holt jetzt eine Ausstellung in Stuttgart nach.

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Großbritannien Kunst Malerei von Francis Bacon versteigert bei Christie's in London
Bild: Reuters

Francis Bacon war ein Maler, der die Qualen des Lebens spürbar machte. In seinen Gemälden herrscht eine Atmosphäre allgemeiner Orientierungslosigkeit. Seine Protagonisten sind gefangen im eigenen Albtraum: Manche Gemälde sind so dunkel und düster, dass die dargestellten Personen in ihrer Umgebung zu verschwinden scheinen - was viel über die Qualen des modernen Menschen, aber auch über Bacons eigene Biografie verrät. Erfolg hat Francis Bacon, der am 28. Oktober 1909 in Dublin als Sohn eines englischen Pferdezüchters und Berufssoldaten zur Welt kommt, schon zu Lebzeiten. Dabei ist ihm eine Karriere als Künstler nicht vorherbestimmt. Sein Vater pendelt zwischen Dublin und London, weil er im Kriegsministerium arbeitet. Der Sohn hat deshalb kaum die Möglichkeit, zur Schule zu gehen.

Gestörte Beziehung zum Vater

Als sich Francis Bacon offen zu seiner Homosexualität bekennt, reißt der Kontakt zum strengen Vater so gut wie ab. Francis schlägt sich durch und probiert sich zunächst als Möbeldesigner. Als der Erfolg ausbleibt, beschließt er, es mit der Kunst zu versuchen und malt 1932 sein erstes Gemälde: "Crucifixion" hat gleich einen programmatischen Charakter - es ist noch stark von Pablo Picassos Kubismus beeinflusst. 

Francis Bacon, Foto: picture-alliance/dpa
Francis Bacon 1970 in LondonBild: picture-alliance/dpa

Der Durchbruch kommt erst später, im Jahr 1945. Wieder ist es eine Kreuzigung, die Eindruck hinterlässt. Sein erstes Triptychon findet sofort einen Käufer und landet so zunächst in der National Gallery und später in der Tate Gallery in London. Das reicht, um Bacon bekannt zu machen. Anfragen für Gruppenausstellungen folgen. Bacon ist spielsüchtig und haut sein erstes Geld in Monte Carlo auf den Kopf. Die meisten Kunstwerke, die in den unmittelbaren Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs entstehen, vernichtet er. Allerdings soll ihm damals die Idee gekommen sein, die ungrundierte Leinwand zum Malen zu benutzen.

Möbeldesigner, Roulettespieler, Maler

Über eine Freundin, Isabel Rawsthorne, lernt Bacon die Existenzialismus-Bewegung in Paris kennen. Rawsthorne ist die ehemalige Geliebte des Bildhauers Alberto Giacometti und taucht in einigen Werken Bacons auf. Zu dieser Zeit beginnt er auch, Päpste zu malen: Vorlage ist das Gemälde von Innozenz X. von Diego Velázquez. 50 mal verfremdet und demontiert er das Oberhaupt der katholischen Kirche in seinen Kunstwerken. Schon in den 50er Jahren festigte sich Bacons Status als wichtigster moderner Künstler Großbritanniens. Auch in den USA wurde der Maler, dessen Markenzeichen die verzerrten und verwrungenen Menschendarstellungen wurden, gefeiert. Aber er polarisiert auch - bis heute finden viele Museumsbesucher seine Bilder abstoßend und zu pessimistisch. Von besonderer Bedeutung für sein Werk sind seine zerstörerischen Liebesbeziehungen. Peter Lacy, mit dem er lange Zeit zusammenlebte, starb 1962, am Abend einer großen Retrospektive in der Tate Gallery in London. Auch seine nächste Liebesbeziehung zu dem Kleinkriminellen George Dyer, den er während eines Einbruchs in die eigene Wohnung kennenlernte, endete tragisch.

Francis Bacon auf Ausstellung 1977, Foto: picture-alliance/akg-images
Francis Bacon installiert 1977 ein Gemälde in einer Ausstellung in ParisBild: picture-alliance/akg-images

Schicksalsschläge und Erfolge

Der viel jüngere Freund, der sich 1971 das Leben nimmt, wird mehrfach von ihm in Porträts gewürdigt. Typisch ist, dass Dyers Gesicht dabei nicht zu erkennen ist, auch seinen Körper verfremdet Bacon und stellt ihn als Vogelwesen dar. Ab 1965 malt Bacon zunehmend Personen seines Freundeskreises. Weitere Schicksalsschläge folgen, die sich in Bacons Werk niederschlagen. Bacon lotet die Grenzen von Leben und Tod, von Schmerz und Lust auf eine einzigartige Weise aus. Er malt direkt auf die Leinwand, fertigt keine Skizzen an, Tier und Mensch verschmelzen. Markant ist auch die Darstellung der Räume, in denen Bacon seine Protagonisten verortet: fensterlose Zimmer, enge Zellen mit Gittern, glasartige Gehäuse, Manegen mit gerüstartigen Architekturen. Bis zu seinem Herzinfarkt während einer Reise nach Madrid entwickelte Bacon seine Malerei weiter. Wie Francis Bacon die besondere, klaustrophobische Atmosphäre seiner Gemälde schuf, untersucht nun zum ersten Mal eine Ausstellung: "Unsichtbare Räume" in der Staatsgalerie Stuttgart.