Mali fordert internationale Eingreiftruppe
2. Oktober 2012Seit fast einem halben Jahr halten Islamisten den Norden Malis besetzt. Sie konnten die Macht an sich reißen, nachdem ein Militärputsch und der Unabhängigkeitskrieg der Tuareg-Rebellen das Land bereits destabilisiert hatten. Die Bewegung für die Einheit und den Dschihad in Westafrika (MUJAO) sowie die so genannten Verteidiger des Islam (Ansar Dine) haben seitdem ein Terror-Regime errichtet: Sie amputieren mutmaßlichen Dieben die Hände, steinigen Paare, die sie des Ehebruchs bezichtigen und lassen Kinder und Jugendliche als Soldaten kämpfen.
Darunter leiden auch die Menschen in Gao, einer Stadt im Nordosten des Landes am Ufer des Niger-Flusses. Im Telefongespräch mit der DW erklärt ein Bewohner Gaos, der anonym bleiben will: "Wir zählen auf alle, die uns helfen wollen. Und wenn die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS Mali helfen kann, diese Leute zu verjagen, dann ist das eine gute Sache.
Mali fordert eine UN-Resolution
ECOWAS hat der malischen Regierung angeboten, mit rund 3300 Soldaten in Mali einzumarschieren. Die malische Armee selbst ist bislang nicht in der Lage, den Norden zurückzuerobern. Nach monatelanger Diskussion konnte Bamako sich dazu durchringen, das Angebot anzunehmen. Bei einem UN-Sondergipfel zur Sahelzone am Mittwoch (26.09.2012) in New York forderte Malis Premierminister Cheick Modibo Diarra nun offiziell eine Resolution des Weltsicherheitsrates. Damit könnte ein ECOWAS-Einsatz vom mächtigsten Organ der UN autorisiert werden.
Doch darauf wird Diarra weiter warten müssen. Denn eine entsprechende Resolution des UN-Sicherheitsrates dazu ist noch nicht abzusehen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, dass eine militärische Intervention mit extremer Vorsicht bedacht werden müsse. Schon jetzt haben mehr als 400.000 Menschen den Norden Malis verlassen und sind in den Süden des Landes oder in Nachbarländer geflüchtet. "Ein Eingreifen könnte schwere Folgen für die humanitäre Lage haben und weitere Flüchtlingsströme auslösen", so Ban weiter.
Profiteure des Krieges
Die Islamistengruppen, mit denen sich eine Eingreiftruppe anlegen müsste, stehen in enger Verbindung zur regionalen Dachorganisation der Islamisten, der Terrorgruppe Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQMI). Außerdem verfügten sie über gute Verbindungen zu lokalen Stammesführern, sagt Wolfram Lacher, Sahel-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Das sind keineswegs nur internationale Terroristen, sondern da sind durchaus sehr starke lokale Interessengruppen vertreten", erklärt Lacher im DW-Interview. "Und gegen die Krieg zu führen, das könnte für die ECOWAS sehr böse ins Auge gehen", so Lacher weiter.
Denn auch lokale Stammesführer profitieren von der instabilen Lage in Mali. Sie sind teilweise am Drogen- und Waffenschmuggel beteiligt, der zwischen Mali und dem Norden Afrikas floriert. Lacher glaubt deshalb nicht an den Erfolg einer möglichen Militärmission der ECOWAS in Nord-Mali. "Insbesondere auch, weil ECOWAS die zwei einflussreichsten Länder im Norden Malis nicht einschließt, nämlich Algerien und Mauretanien", so Lacher. Damit fehlten ECOWAS zwei wichtige Verbündete.
Was macht Europa?
Kommt es trotz aller Vorbehalte dennoch zu einer UN-Resolution, dann werden die ECOWAS-Truppen wohl auf Hilfe aus dem Westen angewiesen sein. Zumindest mit Geld und Material werde man einen Militäreinsatz der ECOWAS in Mali unterstützen, erklärte der französische Präsident François Hollande in New York.
Auch die EU hat bereits ihre Unterstützung angedeutet. Die malische Regierung hat Brüssel gebeten, beim Wiederaufbau der Streitkräfte des Landes zu helfen. Die EU wartet nun ab, ob der UN-Sicherheitsrat einen internationalen Militäreinsatz billigt. Laut Informationen der Nachrichtenagentur dpa steht eine direkte militärische Beteiligung der EU jedoch nicht zur Debatte.