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Mali: Zu viele Fraktionen, zu viele Interessen

Adrian Kriesch31. Juli 2012

Die Frist der afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ist abgelaufen, ohne dass Übergangspräsident Traoré eine neue Regierung bilden konnte. Aufgeben ist aber keine Lösung: Es droht die Spaltung Malis.

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Portrait von Malis Interimspräsident Dioncounda Traore (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Für den Interimspräsidenten Dioncounda Traoré war und bleibt es eine scheinbar unlösbare Aufgabe. Er sollte bis Dienstag (31.07.2012) eine neue Regierung bilden. Nun sollen ihm laut Medienberichten noch zehn zusätzliche Tage gewährt werden. Die Frist wird dem Land von der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS gesetzt. Sollte es Malis Übergangsführung nicht gelingen, eine Regierung zu bilden, will ECOWAS Truppen in das Land entsenden.

Erst am Freitag (27.07.2012) war Traoré nach zweimonatiger medizinischer Behandlung aus Frankreich zurückgekehrt. Am Sonntag hatte er im Staatsfernsehen verkündet, dass er ab sofort die Bildung einer Einheitsregierung selbst in die Hand nehme. Außerdem wolle er zwei neue Stellvertreter installieren. Viele Medien sprachen daraufhin von einer Entmachtung des Premierministers Cheikh Modibo Diarra. Der konnte während Traorés Abwesenheit kaum Fortschritte erreichen. Die großen Parteien forderten bereits seinen Rücktritt. Diarra betont jedoch, es sei alles mit dem Interimspräsidenten abgesprochen worden. "Wir haben wichtigere Probleme, die wir im Moment versuchen zu lösen", so der Premierminister im Interview mit der Deutschen Welle..

"Breite Debatte nötig"

Wichtigere Probleme - damit meint Diarra die Bildung der neuen Regierung der nationalen Einheit. Doch dass der Interimspräsident jetzt alles selbst in die Hand nehmen will, habe nichts mit Einheit zu tun, meint der Politikwissenschaftler Issa N'Diaye von der Universität in Bamako. "Wir haben gehofft, dass er etwas von der Krise gelernt hat. Denn man kann die Probleme Malis nicht lösen ohne eine breite Debatte zu führen, den Menschen zuzuhören und alle Kräfte einzubinden." Der Politikwissenschaftler vermutet, dass der Interimspräsident von seiner Partei gedrängt wurde, mit diesem Schritt seine Macht zu festigen.

Unterstützer der Putschisten stehen jubelnd auf einem Militärfahrzeug (Foto: Reuters)
Unterstützer der Putschisten attackierten im Mai den Präsidentenpalast und TraoréBild: Reuters

Putschistenführer Sanogo klammert sich an die Macht

Doch alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen, das ist in der Tat schwierig - zu unterschiedlich sind die Interessen. Zum einen gibt es die Putschisten um ihren Anführer Amadou Sanogo, die auch von einigen Parteien unterstützt werden. Ein Teil des Militärs unter Sanogo hatte im März die Regierung gestürzt. Die Soldaten werfen der Regierung vor, das Militär im Kampf gegen die Aufstände der Tuareg im Norden des Landes nicht ausreichend unterstützt zu haben. Die Sanogo-Anhänger fielen auch danach immer wieder gewalttätig auf, attackierten den Interimspräsidenten. Amnesty International berichtete, dass regierungstreue Soldaten gefoltert wurden. Obwohl durch den Putsch die Lage im Norden weiter außer Kontrolle geriet, klammere sich Sanogo weiter an die Macht, meint David Zounmenou, der die Situation in Mali für das Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Südafrika beobachtet. Dass Sanogo sich weiter politisch engagiert, verbietet jedoch die Verfassung des Landes. Auf diesen Punkt pochen auch die Putsch-Gegner, die von weiten Teilen der Zivilgesellschaft unterstützt werden.

Portrait von Amadou Sanogo (Foto: Reuters)
Machtbesessener Putschist? Hauptmann Amadou SanogoBild: Reuters

Wer vertritt die Tuareg?

Generell gibt es auf beiden Seiten den Konsens, dass Norden und Süden weiter einen gemeinsamen Staat bilden sollen, der weltlich regiert wird. Deshalb haben die nordmalischen Unabhängigkeitskämpfer der "Nationalen Bewegung für die Befreiung des Azawad", kurz MNLA, bereits verkündet, nicht an der malischen Regierung mitwirken zu wollen. Sie fordern weiter ihren eigenen Staat. "Die MNLA kann man aber nicht als Vertreter aller Tuareg sehen", meint David Zounmenou. Es gebe andere Tuareg-Vertreter, die sich in der Hauptstadt politisch engagieren und sich in der neuen Regierung einbringen wollen. Außerdem bedeute die Idee einer nationalen Einheitsregierung nicht, dass jede ethnische Gruppe hochrangige Vertreter in der Regierung stellt. "Wenn im Namen der Einigkeit die Regierung so besetzt wird, könnte es hunderte Minister geben", befürchtet Zounmenou.

Geflüchtete Nordmalier protestieren mit selbstgemalten Pakaten in der Hauptstadt Bamako gegen Islamisten (Foto: dapd)
Proteste gegen die Islamisten – geflüchtete Nordmalier in der Hauptstadt Bamako Anfang JuliBild: AP
Karte von Mali (DW-Grafik: Peter Steinmetz)
Gespaltener Staat: Tuareg und Islamisten wollen einen eigenen Staat in NordmaliBild: DW

"Nur Wahlen können legitimierte Regierung schaffen"

Mittelfristig sieht Zounmenou nur eine Lösung für die politische Krise: "Nur Wahlen können eine legitimierte Regierung schaffen, die die Menschen vertritt und Einheit in Mali bringt. Das ist meines Erachtens die Hauptaufgabe der neuen Regierung." Interimspräsident Traoré stimmt dem zu. Um einen Kampf um persönliche Interessen zu verhindern, hat er bereits verkündet, dass weder er noch seine Stellvertreter und Minister zu den Präsidentschaftswahlen antreten dürfen.