Malis Opposition hat schon verloren
10. August 2018Im Quartier du Fleuve im Zentrum Bamakos dröhnt ständig dasselbe Lied aus den Lautsprechern. Ein Name kommt darin immer wieder vor: Aliou Diallo, so heißt es im Text, sei die beste Wahl für Mali und könne das Land voranbringen. Das Stück stammt aus der Zeit, in der Diallo und andere Oppositionelle noch auf einen Machtwechsel und das Ende der Regierung von Ibrahim Boubacar Keïta (IBK) hofften. Doch Tage vor der Stichwahl ist alle Hoffnung verloren.
Diallo, der 8 Prozent der Wählerstimmen erhielt und somit den dritten Platz belegte, ist am Donnerstag der erste Oppositionskandidat, der das auf dem Parteigelände der Demokratischen Allianz für den Frieden (ADP-Maliba) deutlich macht, ohne die Niederlage direkt einzugestehen. Nach knapp einstündiger Verspätung tritt er vor etwa hundert Unterstützer. Anstatt potentielle Wähler für den zweiten Wahlgang zu mobilisieren, in dem an diesem Sonntag Oppositionsführer Soumaïla Cissé den Amtsinhaber herausfordert, bedankt sich Diallo ausführlich bei seinen Unterstützern und sagt: "Wir müssen ebenfalls die Kraft finden, die Parlamentswahlen im November vorzubereiten. Uns muss es gelingen, die Mehrheit zu bekommen, damit wir den Präsidenten kontrollieren, der am 4. September in sein Amt eingeführt wird."
Opposition bleibt beim Vorwurf der Wahlfälschung
Diallo, Cissé und 18 weitere der insgesamt 24 Kandidaten haben der Regierung Wahlfälschung vorgeworfen - etwa durch Urnen, die mit ausgefüllten Stimmzetteln präpariert waren, und absichtlich falsch verteilte Wählerkarten. Ihre letzte Hoffnung ruhte auf dem Verfassungsgericht. Doch das entschied am Mittwoch (08.08.18), dass die Stichwahl trotz aller Kritik stattfindet. Außerdem bestätigte es die vorläufigen Ergebnisse und den großen Vorsprung Keïtas mit 41,7 Prozent. Diallo, der als Geschäftsmann sein Geld im Goldabbau verdient, bleibt bei seinem ernüchternden Fazit: "Die malische Demokratie hat einen schweren Schlag erlitten."
Auch wenn das Land mit den knapp 18 Millionen Einwohnern theoretisch noch mitten im Wahlkampf steckt, ist davon wenig zu spüren. Selbst im Machtzentrum Bamako hängen viele Wahlplakate nicht mehr. Schon vor der Entscheidung des Verfassungsgerichts gab es keine Kundgebungen oder Informationsveranstaltungen mehr, um ein letztes Mal auf Stimmenfang zu gehen. Noch ruhiger ist es in den übrigen Regionen - etwa in Kayes, einer Provinzhauptstadt, gut 600 Kilometer nordwestlich von Bamako. "Vor der Wahl war es unsere Aufgabe, die Menschen zu sensibilisieren und beispielsweise darüber aufzuklären, wo und wie sie ihre Wählerkarten abholen", sagt Darrar Ben Azour Maguiraga, Direktor des kommunalen Senders Radio Rurale. Doch viele Gespräche haben ihn ernüchtert: "In Wirklichkeit ist es nicht das Programm des Kandidaten, das die Menschen interessiert. Sonst hätten wir ein anderes Ergebnis erhalten."
Teurer Wahlprozess
Die Wahlbeteiligung war mit 42,7 Prozent noch geringer als 2013, als 48 Prozent der eingeschriebenen Wähler ins Wahllokal gingen. Damit sind die Nichtwähler in der Mehrheit. Bisher ist nicht klar, ob das an der schleppenden Verteilung der Wählerkarten lag, am regnerischen Wetter, an der unsicheren Lage im Norden, die dafür sorgte, dass mehr als 700 Wahllokale nicht öffneten, oder schlicht am Desinteresse. Die Politikverdrossenen dürften jedoch nicht vergessen werden, so Diallo: Die fünf Millionen Malier, die am 29. Juli zu Hause geblieben sind, seien "die schweigende Mehrheit."
Auch Mamadou Sinsy Coulibaly, Präsident des Nationalrats der malischen Arbeitgeber, sieht den Wahlprozess kritisch. Von seinem Büro im vierten Stock überblickt er Bamako und sagt: "Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin für die Demokratie." Die Wahl habe jedoch die malische Wirtschaft enorm belastet. Hauptgrund sei die für ein Land wie Mali unverhältnismäßig hohe Zahl an Kandidaten: "Man muss Stimmzettel für 24 Kandidaten machen, man muss ihnen Sendezeiten einräumen. Man muss sie schützen." Drei bis fünf Kandidaten seien eine gute Zahl, meint Coulibaly.
Demokratie funktioniert nur zusammen mit Wirtschaft
Der Unternehmer ist auch Präsident einer Unternehmensgruppe, zu der ein Radiosender gehört. Er fordert, generell mehr Augenmerk auf die Wirtschaft zu legen. "Man darf nicht die Demokratie an erster und die Wirtschaft nur an zweiter Stelle sehen." Beide seien gleich wichtig, sagt er. Die Politik solle wieder Visionen entwickeln und die Bürger nicht so bevormunden. Nur so könnten massive Probleme wie Arbeitslosigkeit angegangen werden.
Der 24-jährige Boubacar Tangara gehört zu Minderheit derer, die gewählt haben. Seine Forderung an die Politik: "Sie muss etwas gegen die Korruption tun". Nur so könne sich tatsächlich etwas im Land ändern. Er will auch am Sonntag wieder wählen: "Wie sollen wir sonst in diesem Land den Wandel herbei führen?"