Mangroven
18. Dezember 2013Ein Wald, der aus dem Meer ragt: An tropischen Küsten bilden einzigartige Bäume einen grünen Gürtel zwischen Meer und Land. Mangroven brauchen warme Wassertemperaturen und eine Mischung aus Salz- und Süßwasser zum Überleben. In ihren Ästen und Luftwurzeln leben zahlreiche Vogelarten. Im Wasser zu ihren Wurzeln tummeln sich Fische. Krebse kriechen im Sediment herum
Shrimpteiche statt Sturmschutz
Seit den achtziger Jahren haben die wertvollen Mangroven weltweit jedoch um 35% abgenommen. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe, erklärte Ulrich Saint-Paul vomLeibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie an der Universität Bremen. Oft würden sie gefällt, um Platz für Häfen, Flugplätze oder Häuser zu schaffen, sagt er im Gespräch mit der DW: "Aber besonders häufig werden diese Bereiche benutzt, um Krebse und Shrimpteiche für den internationalen Markt anzulegen."
Damit das Ausland billige Shrimps hat, zahlen die Mangroven-Länder einen hohen Preis. Denn mit dem Verlust der Wälder verlieren sie eine wichtige Ressource, erklärt Ulrich Saint-Paul:
"Sie sind nicht nur wichtige Aufzuchtsgebiete für Fische, sondern dienen dem Küstenschutz. Sie sind Barrieren gegen Unwetter und im globalen klimatischen Rahmen haben sie eine wichtige Funktion als CO2-Speicher." Dem schnellen Geld würden längerfristige Perspektiven wie Küstenschutz, der Erhalt von Lebensräumen und der Schutz des Klimas geopfert, so Saint-Paul.
Auch der Bau von Dämmen oder die Umleitung von Flüssen gefährden die Mangroven, sagt Entwicklungsexperte René Capote, der im Rahmen seiner Promotion am Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn in seinem Heimatland Kuba Mangroven untersuchte: "Auch wenn solche Baumaßnahmen im Landesinneren passieren, tötet man die Mangroven." Dabei sorgten die Mangroven für sauberes Wasser im Küstenbereich, da sie Sedimente ausfilterten. Dies sei auch für den Erhalt von Korallenriffen und sauberen Stränden wichtig, und damit auch für den Wirtschaftsfaktor Tourismus, sagt Capote im Gespräch mit der DW.
Natürliche Wellenbrecher
Bei Extremwetterereignissen dienen Mangroven auf unterschiedliche Weisen als Schutzgürtel. Denn das Ökosystem kann viel Wasser absorbieren, sodass die Überflutung von besiedelten Gebieten nach starken Regenfällen reduziert wird, sagt der kubanische Experte. Außerdem bilden sie eine natürliche Barriere gegen Wind und Wellen. "Ihre Luftwurzeln und Äste halten die Flut auf", erklärte Femke Tonneijck von der Umweltorganisation Wetlands International. Die Organisation setzt sich für den Erhalt von Mangrovenwäldern in den Tropen und Feuchtgebieten in anderen Erdteilen ein.
Bei dem Taifun Haiyan auf den Philippinen im November hätten Mangroven nach Meinung der Experten geholfen. "Bei solchen Sturmfluten können Mangrovengürtel die Energie und die Höhe der Wellen reduzieren", sagt Tonneijck. Jeder Kilometer Mangroven, durch den die Sturmflut zieht, kann die Höhe des Wassers nach einer Studie von Wetlands International um bis zu einem halben Meter reduzieren. Dabei kann jeder kleine Beitrag Leben retten.
Außerdem bieten Mangrovenwälder Brennholz, Baumaterialien und Nahrungsmittel in der Zeit nach einer Unwetterkatastrophe. Allerdings sei ein sehr breiter Gürtel notwendig, um eine ganze Sturmflut abzumildern, erläutert Tonneijck. Sie engagiert sich deshalb für eine Mischung von Renaturierung der Küsten mit Baumaßnahmen - wie Deichen - in Regionen, wo die Mangroven schon verschwunden sind. Dort ist oft zu wenig Platz für kilometerweite grüne Schutzgürtel vorhanden.
Europäische Kulturtechniken für tropische Küsten
Die Wiederanpflanzung der Gewächse wirkt auch der Erosion der Küsten entgegen. "Wir arbeiten in einer Region von Java, wo die Mangroven Aquakulturteichen für Fische und Shrimps weichen mussten. Für die Wiederansiedelung braucht man auch Sedimente, auf denen die Mangroven wachsen. Statt harte Strukturen wie Deiche aufzustellen, um die Küste vor weiterer Erosion zu schützen, nehmen wir Holzkonstruktionen, ähnlich wie Zäune, die Sedimente durchlassen". Diese Methode wird seit Jahrhunderten in den Niederlanden und Norddeutschland eingesetzt, sagt Tonneijck.
"Es gibt inzwischen ganz erfolgreiche Techniken, und es fließt über die Weltbank viel Geld in solche Projekte", sagt Mangrovenökologe Saint-Paul von der Universität Bremen. "Es wird dort aber aus meiner Sicht immer ein Fehler gemacht, nämlich dass man Mangroven als Monokulturen aufforstet, wie bei uns Kiefern- oder Fichtenwälder. Dabei wird die natürliche Artenvielfalt nicht berücksichtigt, die einem Wald eine viel höhere ökologische Stabilität verleiht."
René Capote betont die Notwendigkeit einer langfristigen Planung und ständiger Überwachung der Wachstumsbedingungen bei der Wiederaufforstung mit Mangroven. Viele Aktionen scheiterten innerhalb einiger Jahre, da die Vorarbeiten und langfristige Pflege vernachlässigt würden.
Mangrovenschutz durch nachhaltige Shrimpzucht
Neben der Neupflanzung von Mangroven kämpft Capote auch für einen nachhaltigen Umgang mit noch existierenden Mangrovenwäldern. Dazu gehörten auch Maßnahmen in der Fisch- und Shrimpzucht: "Man sollte eine Rotation einführen, die Teile des Gebiets schont und bereits genutzten Mangrovengebieten die Chance gibt, sich zwischendurch zu erholen. Außerdem sollte man dauerhafte Verschmutzung durch chemische Futterzusätze vermeiden. Ein Gebiet kann nur eine bestimmte Anzahl an Shrimps ernähren. Man muss wählen zwischen kurzfristigen Gewinnen, die zur Zerstörung der Mangroven führen - oder weniger Gewinn, dafür aber die längerfristig Erhaltung der Mangroven."
Das Bewusstsein für die Bedeutung der Mangroven steigt nach jedem katastrophalen tropischen Unwetter an. Dies sei aber leider nur ein kurzfristiges Phänomen, gibt Ulrich Saint-Paul zu bedenken. "Wir brauchen ein langfristiges Erziehungsprogramm, vor allem in den Schulen und der Erwachsenenbildung, das den Leuten vor Ort klar macht, welche Bedeutung die Mangrove hat, und aus welchen Gründen sie schützenswert ist."