ManU-Coach Mourinho stichelt gegen Ajax
23. Mai 2017Ginge es nach Manchester-United-Coach Jose Mourinho, dann dürfte es dieses Finale an diesem Mittwochabend in Solna bei Stockholm gar nicht geben. "Sie haben es nicht verdient, im Endspiel zu stehen", stänkert der Berufs-Miesepeter gegen Ajax Amsterdam. Und eine Begründung liefert der Portugiese auch: "Sie haben ein Team für die Champions League und sind dort ausgeschieden. Die Europa League sollte für Vereine sein, die nur dort gespielt haben. So wie wir." Kämen diese Sätze nicht von "The Angry One", gäbe es durchaus Ansätze, seiner Argumentation zu folgen.
Aber Mourinho ist dafür bekannt, dass es ihm bei seinen provokanten Thesen selten um die Sache an sich geht, sondern darum, den Gegner zu verunsichern. Denn Ajax hat das Ausscheiden nach der Gruppenphase der Königsklasse längst überwunden und sogar Oberwasser bekommen durch die jüngsten Erfolge im europäischen Wettbewerb. Nach 22 Jahren winkt erstmals wieder ein internationaler Titel. Manchester United dagegen hat es im ersten Jahr unter Mourinho trotz eines prominenten und kostspieligen Kaders wieder nicht in die Champions League geschafft, landete in der Premier League nur auf dem enttäuschenden sechsten Platz. Da tut es gut, von den eigenen Schwächen abzulenken.
Ein Hauch von Cruyff
Zumal die Niederländer ob ihrer Jugend als unberechenbar gelten. Einzig Lasse Schöne im defensiven Mittelfeld und Davy Klaassen können auf einige Routine zurückgreifen, sonst machen die jungen Wilden das Spiel bei Ajax aus: die Stürmer Kasper Dolberg und Amin Younes etwa - Letztgenannter hat es jetzt sogar in den DFB-Kader für den Confed-Cup in Russland in diesem Sommer geschafft.
Im Tor steht mit Andre Onana aus Kamerun ein 21-Jähriger, der längst auf den Einkaufslisten einiger europäischer Topklubs steht. Die Innenverteidigung wird von Matthijs de Ligt (17 Jahre) und Davinson Sanchez (20) gebildet, beide noch nicht fehlerlos aber mit enormem Potential. Dass von den anderen in der in Solna zu erwartenden Anfangsformation keiner über 23 sein dürfte, versteht sich fast von selbst. Fußball-Nostalgiker fühlen sich an die große Ajax-Zeit in den 70er-Jahren um den damals aufstrebenden Johan Cruyff erinnert oder auch an die 90er, als der Verein aus den kleinen Niederlanden noch große Titel sammelte und das restliche Europa mit Weltstars wie Clarence Seedorf oder Edgar Davids versorgte.
Auf der anderen Seite, bei Manchester, finden sich zumeist längst bekannte Namen: Argentiniens Nationaltorwart Sergio Romero ist 30 Jahre alt, Matteo Darmian 27, Michael Carrick als "Sechser" wird bald seinen 36. Geburtstag feiern. Ander Herrera ist 27, Ex-Dortmund-Star Henrikh Mkhitaryan 28 und Paul Pogba mit seinen 24 zwar noch noch jung an Jahren, aber schon reich an Erfahrung. Wäre Zlatan Ibrahimovic nicht schwer verletzt und Wayne Rooney weit über den Zenit, würde der Altersschnitt noch weiter angehoben. Eigentlich macht momentan nur ein Youngster Hoffnung für die Zukunft - Sturm-Teenie Marcus Rashford.
Der einst stolze Champions-League-Sieger befindet sich seit Jahren in einer Krise auf hohem Niveau. Ein Titel, und sei es nur der "Trostpreis" Europa League, wäre da wenigstens ein Hoffnungsschimmer - zumal damit auf Umwegen doch noch die direkte Teilnahme an der Champions League für die kommende Saison erreicht würde. "Wir müssen gewinnen, denn wir wollen und brauchen die Champions League", bringt es Abwehrmann Phil Jones auf den Punkt.
Duell der Söhne?
Dabei helfen soll United auch ein Niederländer: Daley Blind, ausgebildet in Amsterdams berühmter Fußballschule und seit drei Jahren Innenverteidiger in Englands Premier League, ist längst zum Leistungsträger geworden. "Jeder weiß, dass ich aus Amsterdam komme und Ajax im Herzen trage", sagt Blind vor dem Finale, "aber am Mittwoch bin ich United". Er möchte es seinem Vater Danny nachtun, der 1995, bei Ajax' letztem internationalem Triumph in der Champions League, im Finale gegen den AC Mailand der überragende Spieler auf dem Platz war. Jetzt hat also Blind junior die Chance auf einen Europapokal, und wenn es auch nur "der Kleine" ist.
Auch Ajax hat den Sohn eines der Helden von damals im Kader. Justin Kluivert wartet mit seinen 18 Jahren noch auf den großen Durchbruch als Außenstürmer, Experten bescheinigen ihm jedoch einiges Talent. Vielleicht klappt es ja ausgerechnet im Finale, sollte er dann zum Einsatz kommen. Er wäre vielleicht eine Option für die letzten Minuten. Sein Vater Patrick war es, der damals, vor 22 Jahren das entscheidende 1:0 im Finale schoss. "Mein Traum ist es, der entscheidende Spieler bei Ajax zu werden und dann den nächsten Schritt zu einem größeren Klub zu machen", sagt Justin Kluivert. Soweit denkt Kapitän Davy Klaassen nicht. Er ist ganz beim Europa-League-Finale: "Wir wollen etwas in den Händen halten. Der Sieg in der Europa League wäre der Jackpot."
Das sieht auch Jose Mourinho auf der United-Bank so. Etwas anderes bleibt ihm kaum übrig. Bliebe er ohne Titel - er würde ein weiteres Stück seines Mythos' verlieren. Da ist "The Special One" jedes Mittel recht. Auch seine Verbal-Attacken gegen ein Ajax, dessen Kader viel weniger nach Champions League aussieht als sein eigener.
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