Markus Söder: Machtpolitiker und Entertainer
7. Oktober 2023Eigentlich ist Markus Söder erst seit fünf Jahren bayerischer Ministerpräsident, aber angesichts seiner großen Präsenz scheint seine Amtszeit weitaus länger zu sein. Der 56-Jährige dominiert die konservative Christlich-Soziale Union CSU, derart, dass Parteikollegen kaum nationales Profil aufbauen konnten und noch weniger Hoffnung haben, ihn in absehbarer Zeit abzulösen.
Aber es ist nicht sicher, dass das so bleibt. Denn die CSU, die im Jahr 2003 in Deutschlands größtem Bundesland noch ein Wahlergebnis von mehr als 60 Prozent erzielte, sinkt seit einigen Jahren in der Wählergunst. Bei der letzten Landtagswahl im Jahr 2018, Söders erster Wahl als Ministerpräsident, kam die CSU nur auf 37 Prozent der Stimmen.
Begründet wurde das schlechte Abschneiden vor allem mit dem Aufstieg der in Teilen rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland AfD und der rechtskonservativen Freien Wähler FW. Mit den Freien Wählern, die besonders im ländlichen Raum beliebt sind, ging Söder daraufhin eine Koalition ein.
Weniger Merkel, mehr Entertainer
Bei seinen öffentlichen Auftritte wirkt Söder jedoch immer noch entspannt, selbstbewusst und witzig. Er wird oft als politischer Entertainer beschrieben, was in Deutschland eher selten vorkommt, wo zuletzt eher zurückhaltende, sachliche Charaktere wie die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel und der aktuelle Bundeskanzler Olaf Scholz bei bundesweiten Wahlen am besten abschnitten.
"Er ist fast ein Kabarettist", sagte CSU-Anhängerin Sabine Maier Ende September bei einer Wahlkampfveranstaltung in Ebersberg bei München der DW. In Ebersberg unterhielt Söder die Menge mit Witzen und Verbal-Attacken auf Kosten seiner linken Gegner. Verfolgt man Söder im Wahlkampf, könnte man den Eindruck bekommen, dass für alles, was in Deutschland schlecht läuft, die Grünen schuldig seien.
Vom politischen Anfang und der Liebe
Diese Mischung aus Lust an der politischen Attacke, einem populistischen Stil und Lockerheit spiegelt sich in Söders Social-Media-Accounts. Zu seinem erfolgreichen Hashtag #Söderisst ("Söder isst") auf Instagram gibt es sogar ein Kochbuch. Söder nutzt seine Accounts auch oft, um über seine Liebe zu Bayern und sein politisches Erwachen zu sprechen.
So veröffentlichte er ein Jugendfoto von sich, wie er auf ein Plakat seines politischen Helden Franz-Josef Strauss an der Wand seines Schlafzimmers zeigte. Strauß, CSU-Vorsitzender von 1961 bis zu seinem Tod 1988, gilt als Übervater sowohl für die CSU als auch für Bayern. Den Freistaat regierte er als Ministerpräsident ab 1978 ein Jahrzehnt lang mit absoluter Mehrheit.
Druck von Rechtsaußen nimmt zu
Sowohl die Parteizentrale in München als auch der Flughafen der Stadt tragen seinen Namen. Söder beruft sich immer wieder auf Strauß, insbesondere wenn es um die Bekämpfung der extremen Rechten geht. Doch Strauß` vielzitiertes Diktum, "rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben", ist durch die AfD und die Freien Wähler unter Druck geraten.
Söder wurde 1967 in Nürnberg, der zweitgrößten Stadt Bayerns geboren. Seine Eltern hatten eine kleine Baufirma. Söder erzählt gerne über die harte Erziehung durch seinen Vater, der von seinen Fähigkeiten offensichtlich keine gute Meinung gehabt hatte. So habe ihm sein Vater gesagt: "Junge, du hast keine Chance auf einen anständigen Job, du hast zwei linke Hände. Das Einzige, was dich retten könnte, ist deine große Klappe. Vielleicht reicht das, um Priester oder Politiker zu werden."
Die Karriereleiter der CSU hinauf
Doch zunächst arbeitete Söder nach Abschluss eines Jurastudiums als Journalist beim Bayerischen Rundfunk. Zuvor war er der CSU beigetreten und leitete von 1995 bis 2003 deren Jugendorganisation, die Junge Union. Das ermöglichte ihm den späteren Sprung in den Landtag und bereitete seinen Aufstieg in verschiedene, immer prestigeträchtigere Posten vor: CSU-Generalsekretär, bayerischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Minister für Umwelt und Gesundheit und schließlich Finanzminister im Kabinett seines Ministerpräsidentenvorgängers Horst Seehofer, der ihn bald als Rivalen erkannte.
Söders politischer Stil wird von seinen Kollegen oft als zu populistisch kritisiert, und sein Biograf, der Süddeutsche Zeitung-Journalist Roman Deininger, beschrieb ihn einmal als "schamlos und klug zugleich". Söders Rivalität mit Seehofer wuchs bis 2017 zu einem offenen Machtkampf aus, der nur beigelegt wurde, weil Seehofer nach Berlin wechselte, um im letzten Kabinett von Angela Merkel Innenminister zu werden, wodurch Bayern für Söder frei wurde.
Doch das war nicht das Ende von Söders Ambitionen: Vor der Bundestagswahl 2021 hätte das Selbstvertrauen des Bayern beinahe das historische Bündnis der CSU mit der Christlich Demokratischen Union (CDU) zerbrochen, der konservativen Partei, die fast zwei Jahrzehnte lang von Angela Merkel dominiert wurde.
Als möglicher Kanzlerkandidat auf der Lauer
Denn als als Merkel in den Ruhestand ging, sah Söder ein Machtvakuum an der CDU-Spitze und zeigte Ambitionen in der Bundestagswahl als Kanzlerkandidat der Union gegen Olaf Scholz von den Sozialdemokraten anzutreten. Viele Beobachter räumten ihm dafür bessere Chancen ein, als dem damaligen CDU-Chef Armin Laschet. Letztendlich stellte sich die CDU-Führung hinter Laschet, der aber die Wahl verlor. Seitdem betont Söder, er habe sich in seiner Rolle als bayerischer Staatschef eingelebt und keine Ambitionen mehr auf den Spitzenposten in Berlin. Nicht wenige politische Beobachter glauben allerdings, dass Söders Ehrgeiz nur vorübergehend oder scheinbar gezügelt ist.
Immerhin hat sich sein Verhältnis zum neuen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, der sich selbst gerne populistisch äußert, bislang als überraschend harmonisch erwiesen. Bei zwei derartigen politischen Alphatieren keine Selbstverständlichkeit. Beide Politiker konzentrieren sich auf ihren gemeinsamen Feind: Die regierende Mitte-Links-Koalition von Bundeskanzler Scholz aus SPD, Grünen und den Freien Demokraten FDP.
Vor allem haben Söder und Merz die Grünen ins Visier genommen. Söder schloss eine Koalition auf regionaler Ebene mit ihnen aus. Die bayerischen Grünen weisen jedoch gerne darauf hin, dass es Söder war, der für einen Fototermin einen Baum umarmte und einen klimafreundlichen Umbau Bayerns versprach.
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.