Muslime, Migranten und der Papst
30. März 2019Und wieder geht es in die islamische Welt. Acht Wochen nach seinem weltweit beachteten Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten besucht Papst Franziskus das Königreich Marokko. Das nordafrikanische Land spiegelt eine andere soziale Wirklichkeit wider als die reichen Emirate am Golf. Und doch arbeitet Franziskus an seiner Vision eines stärkeren Miteinanders von Christen und Muslimen.
Staatsreligion in Marokko ist der Islam. 99 Prozent der Bewohner sind Muslime. Der sogenannte malikitische Islam ist, wie Timo Güzelmansur, Leiter der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) in Frankfurt, sagt, "eine konservative, aber tolerante Richtung". Stärker als in anderen sunnitisch geprägten Ländern spielten in dem Land "ein Volksislam" eine Rolle. Der Königspalast stecke die religiösen Grenzen ab, weil der König nicht nur weltlicher Herrscher, sondern auch Oberhaupt für die muslimischen Belange sei.
Der zweite Papst
Dass das Königshaus, das sich darauf beruft, unmittelbar vom Propheten Mohammed abzustammen, durchaus für eine Offenheit steht, zeigte bereits 1985 der Vater des jetzigen Königs, Hassan II. (1961-99). Er war im August 1985 erstmals Gastgeber eines Papstes in Marokko, als Johannes Paul II. (1978-2005) das Land besuchte.
In Casablanca durfte der Papst auf Einladung des damaligen Königs Hassan II. vor 80.000 Zuhörern sprechen, ganz überwiegend Muslimen, meist jungen Leuten - eine Offenheit, die es in kaum einem anderen islamisch geprägten Land gab. Der Papst aus Polen zitierte damals respektvoll den Koran und nannte in einer viel gelobten Rede den Dialog zwischen Christen und Muslimen "notwendiger denn je". Es war eine der bleibend großen Reden dieses Papstes.
Daran knüpft Franziskus an, der sich 27 Stunden in der Hauptstadt Rabat aufhält. Es ist auch ein Werben für den Dialog gegen den Terror. Viele der jungen Islamisten, die in den vergangenen zehn Jahren blutige Anschläge in Spanien und anderen mitteleuropäischen Ländern, auch Deutschland, verübten, kamen aus Marokko. Das spricht für die Zerrissenheit der Jugend. Seit langem setzt König Mohammed VI. auf eine andere Ausbildung von Imamen und wirbt offiziell für Toleranz.
"Über Glaubensgrenzen hinweg"
Der heutige Papst reist auffallend oft in muslimisch geprägte Länder. Er war in der Türkei und Bosnien-Herzegowina, Jordanien und den Palästinensergebieten, in Aserbaidschan und Ägypten, zuletzt in den Emiraten. Für Güzelmansur geht es dem Papst sehr bewusst um den interreligiösen Dialog, zu dem das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) in einer "Erklärung zu den nichtchristlichen Religionen" ermunterte, und das Miteinander der Menschen über Glaubensgrenzen hinweg. "Er möchte nicht, dass die Kluft zwischen Ost und West tiefer wird, sondern dass die Menschen sich miteinander solidarisieren, als Schwestern und Brüder entdecken und entsprechend verantwortungsvoll handeln."
Und: Das Kirchenoberhaupt reist auch dieses Mal in der Tradition seines Namensgebers. Der Ordensgründer Franz von Assisi (1182-1226) war 1219, in der dunklen Zeit der Kreuzzüge, bis nach Ägypten gezogen, um dem Sultan zu begegnen und für das friedliche Miteinander der Religionen zu werben.
"Warum tun sie das? Damit sie ertrinken?"
Gewiss wird der Papst während seines eineinhalbtägigen Aufenthalts auch den Blick auf das Thema Flüchtlinge richten. Zusehends hat sich der Weg von Flüchtlingen aus afrikanischen Ländern in Richtung Europa von der libyschen Küste nach Marokko verlagert, das heute auf der Hauptroute der Flüchtlinge liegt. Mehrfach in diesem Jahr kenterten im Mittelmeer vor Marokko Flüchtlingsboote, zuletzt ertranken Mitte Mai wohl 45 Menschen. Und als Papst Franziskus dieser Tage darauf angesprochen wurde, dass die Behörden im Hafen von Barcelona das Schiff einer privaten Hilfsorganisation am Auslaufen hinderten, sagte er laut Radio Vatikan: "Warum tun sie das? Damit sie ertrinken?".
Die Botschaften des Papstes, so Güzelmansur, seien an alle Menschen gerichtet, die die Welt ein Stück besser machen möchten. "Das zielt auf das jeweilige Land, in dem er ist, und mahnt dort die Herrschenden, aber das kann man auch als Botschaft an Europa sehen." Und angesichts der Sorge vieler junger Menschen, die in Marokko existenzielle Sorgen hätten, habe Europa "eine Aufgabe, auch eine Verantwortung".