Massen von Social Bots gegen Migrationspakt
10. Dezember 2018Vor der Verabschiedung des UN-Migrationspakts haben Recherchen eines Berliner Startup-Unternehmens zufolge zahlreiche Social Bots im Internet Stimmung gegen die internationale Übereinkunft gemacht. Laut der Analyse der Firma botswatch sind mehr als ein Viertel aller Twitter-Nachrichten zum Migrationspakt (28 Prozent) auf Social Bots zurückzuführen, wie die Tageszeitung "Die Welt" berichtete. Den Analysten zufolge sei der Durchschnitt bei politischen Diskussionen sonst etwa um die Hälfte niedriger (10 bis 15 Prozent).
Botswatch-Chefin Wilke: Gezielte Falschinformationen
Der jetzige Anteil von Social Bots sei so hoch wie seit der Bundestagswahl im vergangenen Jahr nicht mehr, heißt es weiter. Social Bots sind in sozialen Netzwerken agierende Computerprogramme, die sich als reale Menschen tarnen. Für ihre Studie zum Migrationspakt untersuchte botswatch rund 800.000 Tweets, die zwischen dem 24. November und dem 2. Dezember veröffentlicht wurden. Der Bundestag hatte sich am 29. November für den Pakt der Vereinten Nationen ausgesprochen.
Gestreut worden seien zum Beispiel Behauptungen, wonach die Bundesregierung versuche, die Öffentlichkeit beim Migrationspakt bewusst zu täuschen, schreibt die "Welt": Das Abkommen sei rechtlich bindend, damit hole die Regierung Flüchtlinge bewusst nach Deutschland. Wichtig für die Verbreitung der Inhalte seien neben Twitter auch Plattformen wie YouTube. Bei den untersuchten Netzwerken gab es der Analyse zufolge auch Verbindungen zu den Protesten der "Gelbwesten"-Bewegung in Frankreich. Laut den Autoren der Studie soll so der Eindruck einer grenzüberschreitenden Bewegung hergestellt werden. Dieselben Netzwerke, die gegen den Migrationspakt aktiv sind, sind demnach zudem auch beim Thema Dieselfahrverbote aktiv.
Auf mögliche Hintermänner der Social Bots geht die Analyse nicht ein. "Jemand scheint Interesse daran zu haben, dass diese Debatte geführt wird und dass gezielt Falschinformationen über den UN-Migrationspakt verbreitet werden", sagte botswatch-Geschäftsführerin Tabea Wilke der "Welt". Das Thema eigne sich sehr gut dafür, die westliche Wertegemeinschaft infrage zu stellen.
Justizministerin Barley: Gegen Fake-Accounts vorgehen
Bundesjustizministerin Katarina Barley rief angesichts der Analyse zu einem verstärkten Kampf gegen Lügen im Internet auf. Der Fall werfe ein Schlaglicht darauf, wie organisierte Falschmeldungen die Debatte um ein Thema beeinflussen könnten, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die Betreiber sozialer Netzwerke müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und entschieden gegen Fake-Accounts vorgehen." Social Bots seien eine Gefahr für die Demokratie.
Sie begrüße daher den vergangene Woche vorgestellten Aktionsplan der EU-Kommission gegen Desinformation im Netz, erklärte Barley weiter. Brüssel setzt darin unter anderem auf die Gründung eines EU-weiten Schnellwarnsystems für Versuche, die öffentliche Meinung zu manipulieren.
Unionsfraktionsvize Schön: Mehr Transparenz bei Twitter
Auch die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Nadine Schön, forderte Plattformbetreiber wie Twitter angesichts der botswatch-Recherchen auf, für mehr Transparenz zu sorgen. "Den Nutzern muss eindeutig klar sein, ob ein Mensch oder ein Social Bot einen Tweet oder einen Post veröffentlicht hat", betonte die CDU-Politikerin.
Der Autor und Blogger Schlecky Silberstein (bürgerlich Christian Maria Brandes) sieht auch die Politik gefragt. "Man kann beispielsweise ein ganz normales Gesetz anleiern, dass den Einsatz von Social-Media-Bots grundsätzlich verbietet", sagte er im Südwestrundfunk. Nötig seien aber auch massive Aufklärungskampagnen, um Bots von authentischen Social-Media-Profilen unterscheiden zu können: "Das ist ein Teil der Medienkompetenz, bei der wir von der Schule bis zum Altenheim ein Verständnis in der breiten Gesellschaft erreichen müssen."
sti/uh (afp, epd)