Massenflucht der Christen im Irak
26. Juni 2014Lange Fahrzeugschlangen an den Checkpoints, verzweifelte Familien, oft nur mit wenigen Habseligkeiten beladen: Hunderte christliche Familien im Irak sind nach Angaben kurdischer Einheiten vor Angriffen der sunnitischen Isis-Milizen in die kurdischen Autonomiegebiete geflohen.
So hätten Isis-Dschihadisten mit Granaten den überwiegend von Christen bewohnten Ort Karkusch südöstlich der Stadt Mossul bombardiert, hieß es am Donnerstag. Es habe Verletzte gegeben. Die Christen seien unter anderem nach Erbil, die Hauptstadt der kurdischen Autonomieregion, geflohen. Schon nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein 2003 hatten irakische Christen in Scharen ihre Heimatorte auf der Flucht vor Gewalt von islamistischen Extremisten und Bürgerkrieg verlassen. Von den einst rund 1,5 Millionen Christen leben heute laut Schätzungen nur noch rund 300.000 im Land.
Während Teile der irakischen Armee vor dem Ansturm der Islamisten und ihrer Verbündeten aus dem ölreichen und heftig umkämpften Gebiet geflohen sind, leisten die kurdischen Peschmerga entschlossen Widerstand. Die Führer der Kurden im Irak, in der Türkei und in Syrien hegen frische Hoffnungen auf eine Unabhängigkeit in einem eigenen Staat Kurdistan, losgelöst von der arabischen Dominanz. Kurdenpräsident Masud Barsani inspizierte die Lage in der Stadt Kirkuk. Barsani erklärte, man werde die Stadt mit allen Mitteln verteidigen.
BBC korrigiert Bericht über Luftangriffe
Für Verwirrung sorgten am Donnerstag Berichte der britischen BBC über Luftangriffe Syriens gegen die Isis-Kämpfer, angeblich auf irakischem Territorium. Der irakische Ministerprädident Nuri al-Maliki habe diese syrischen Luftschläge begrüßt, hieß es. Später sprach auch die BBC nur noch von Angriffen auf der syrischen Seite der Grenze.
Die Außenminister der USA, Frankreichs und Großbritanniens bekräftigten ihre Forderung nach einer parteiübergreifenden nationalen Einheitsregierung im Irak. Die Minister John Kerry und Laurent Fabius äußerten bei einem Treffen in Paris die Hoffnung, dass eine Regierung aus Schiiten, Sunniten und Kurden zur Entspannung in dem arabischen Land beitragen könne.
Nach der Nahost-Rundreise Kerrys flog auch der britische Chefdiplomat William Hague überraschend nach Bagdad. Al-Maliki soll bei den Gesprächen mit Hague eingeräumt haben, dass neben militärischen Gegenmaßnahmen auch eine politische Lösung notwendig sei, um den Zerfall des Landes zu verhindern.
Am kommenden Dienstag soll das Parlament in Bagdad mit der Bildung einer neuen Regierung beginnen. Al-Maliki möchte im Amt bleiben, braucht aber Koalitionspartner. Führende schiitische und sunnitische Politiker, aber auch viele westliche Staaten drängen auf seinen Rücktritt und fordern eine Einheitsregierung.
SC/gmf (dpa, afpe, APE, rtre)