Max Beckmann in Amerika
11. Oktober 2011Dem Spätwerk eines Künstlers haftet oft das Prädikat 'unispiriert' an. Künstlerisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit, hört man es oft in Kritikerreihen raunen. Die Ausstellung "Beckmann & Amerika" ist ein Gegenbeispiel. Auch wenn es nur die letzten drei Lebensjahre waren - der gebürtige Leipziger erlebte in den Vereinigten Staaten in den Jahren 1947 bis 1950 noch einmal einen wahren Schaffensrausch. Das Frankfurter Städel-Museum, soeben mit einem gewaltigen Erweiterungsbau versehen, zeigt nun in diesen Räumen einen Beckmann auf der Höhe der Zeit.
Reisen in die Neue Welt
Lange hatte er sich um eine Passage in die USA bemüht, von den Nationalsozialisten ins Exil nach Amsterdam vertrieben, gelang es Beckmann erst im Sommer '47 Europa zu verlassen. In St. Louis erhielt er die Möglichkeit Studenten zu unterrichten. Beckmann nutzte damals die Gunst der Stunde, bereiste das riesige Land - und malte. 41 Gemälde sind nun im Städel zu bestaunen, dazu Zeichnungen und Skulpturen, fast alle entstanden in den letzten drei Lebens- und Schaffensjahren.
"Alles in allem ist New York natürlich das Äußerste an grotesker Riesenhaftigkeit, was sich die Menschheit bis jetzt geleistet hat ... es passt mir nicht schlecht" notierte Beckmann in sein Tagebuch. Und irgendwie meint man, diese "groteske Riesenhaftigkeit" habe immer schon zu diesem Künstler gepasst, der ja seine Bilder mit grellen, leuchtenden Farben malte, der Hochformate bevorzugte, wilde, ausufernde Pinselführung liebte, fast alle Formen und Figuren mit starken schwarzen Umrandungen umfasste.
Verschlüsselt und geheimnisvoll
Aber natürlich malte Beckmann auch so weiter wie im alten Europa, warf seine mythologischen Weltentwürfe auf die Leinwand, Darstellungen aus Geschichte und Religion, nicht selten verschlüsselt, symbolisch, immer ein letztes Geheimnis in sich tragend. Nur waren es eben jetzt die amerikanischen Landschaften und Menschen, die einzogen in seine Bilderwelten. Eindrucksvoll etwa auch in den vielen Tryptichen zu sehen, die dieser Maler bevorzugte, drei hängen jetzt im Städel.
Erste Vorstudien zum gewaltigen Tryptichon "The Beginning" entstanden noch in Amsterdam, der letzte Pinselstrich erfolgte im Frühjahr 1949. Es ist der ganze Beckmann-Kosmos, mit dem der Betrachter hier konfrontiert wird, Kindheit und Jugend des Künstlers, aber auch die Eindrücke aus Amerika sind zu entdecken. "Schau heimwärts, Engel", die berühmte Familiensaga von Thomas Wolfe las Beckmann damals, zurückgeschaut hat dieser Künstler auch immer bei der eigenen Arbeit. Das Bild, das heute im Metropolitan Museum of Art in New York hängt, ist einer der Höhepunkte der Frankfurter Schau.
In Amerika eine Größe
Und auch die Serie der Selbstbildnisse des Künstlers sollte in der Neuen Welt eine Fortsetzung finden. Beckmann porträtiert sich kurz nach seiner Ankunft in den Staaten selbstbewusst mit Zigarette, den grünen Schal elegant um den Hals geschwungen. Sein Galerist Curt Valentin verkaufte das Gemälde kurz nach einer großen Retrospektive in St. Louis an eine New Yorker Sammlerin. Beckmann war ein bekannter Mann damals, noch als er in Europa lebte, galt Beckmann als der große deutsche Expressionist.
Und er sollte sich auch in den letzten Jahren behaupten, als in Amerika die jungen Wilden Mark Rothko, Barnett Newman und Jackson Pollock einzogen und mit Aplomb das Abstrakte in die Kunstgeschichte hievten. Der Deutsche wurde ausgestellt in den großen Museen des Landes, auch schon mal unter dem Titel "American Painters Today". Diese neuen Richtungen hätten ihn nicht irritiert, sagt die Kuratorin der Frankfurter Schau, Jutta Schütt, "es hat ihn nicht erschüttert, er war in seinem Tun und in der Figuration so verhaftet, so stringent, er hatte dort seine Ziele." Das Thema Abstraktion "hätte ihn auch viel früher schon irritieren können. Das war nie das Thema, das war nie sein Problem."
Eindrucksvolles Spätwerk
Es waren eher die großen Franzosen, Picasso, Matisse und andere, die damals als Fixsterne der Kunstwelt galten, die Beckmann irritierten. Er wollte deren Vorherrschaft brechen. Zum Teil ist es ihm gelungen, auch mit seinen letzten Bildern aus Amerika. Nachdem er von den Nationalsozialisten aus seiner Heimat vertrieben worden war, in der berüchtigten Ausstellung "Entartete Kunst" hängen musste, lange im quälenden Exil ausharrte in Amsterdam, hat sich Max Beckmann in der Neuen Welt noch einmal zu einer großen Schaffensphase aufgeschwungen und der Kunstwelt ein eindrucksvolles Spätwerk hinterlassen.
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Gudrun Stegen