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Medien in Afghanistan unter Druck

Waslat Hasrat-Nazimi21. Januar 2016

Bei einem Anschlag auf den größten afghanischen TV-Sender kamen sieben Mitarbeiter ums Leben. Viele wurden verletzt. Afghanische Journalisten fordern jetzt ein Umdenken in der Berichterstattung.

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Polizist in Kabul vor dem abgesperrten Anschlagsort
Bild: Reuters/A. Masood

"Wir stehen an der Seite der Afghanen und der Medien, um die Opfer zu ehren, die alles dafür getan haben, damit wir frei sprechen können", twitterte Saad Mohseni. Mohseni ist Direktor der der größten afghanischen Mediengruppe MOBY zu der auch der Fernsehsender ToloTV gehört, dem der Anschlag galt. ToloTV ist ein Partnersender der Deutschen Welle.

Ein Angriff auf den TV-Sender forderte am Mittwoch (20.01.2016) sieben Menschenleben. 25 wurden verletzt. Die Taliban bekannten sich zu dem Selbstmordattentat. Sie wollten für die Berichterstattung des Senders Rache nehmen, der in ihren Augen Unwahrheiten und Verleumdungen gegen den Islam verbreite. Bereits im Oktober letzten Jahres veröffentlichten die Taliban ein Statement, in dem sie die Mitarbeiter der beiden größten afghanischen Sender, ToloTV und Channel 1, als mögliche Ziele bezeichneten.

Scharfe Verurteilung des Anschlags

Von der afghanischen Regierung wurde der Angriff aufs Schärfste verurteilt. Der Sprecher des Innenministeriums Sediq Sediqi sagte in einer Pressekonferenz in Kabul am Donnerstag (21.01.2016): "Die Taliban können die Medien nicht dulden, denn sie sagen die Wahrheit und informieren die Bevölkerung über deren Gräueltaten." Sediqi versicherte, dass das Innenministerium an der Aufklärung arbeite. Nähere Details würden über die Medien bekannt geben.

Auch der DW-Intendant Peter Limbourg verurteilte den Anschlag. "Dieser tragische Angriff auf Menschenleben ist auch ein feiger Versuch, die Meinungsfreiheit in Afghanistan zu verhindern. Die mutige Arbeit der Journalisten in Afghanistan verdient unseren größten Respekt."

Human Rights Watch nannte den Angriff einen Versuch die fragile Pressefreiheit Afghanistans zu zerstören. Journalisten und Zivilisten gezielt anzugreifen, sei ein Kriegsverbrechen. Auch afghanische Medienorganisationen verurteilten jegliche Art von Angriffen auf die Presse.

Feuerwehrmänner untersuchen einen ausgebrannten Bus, der bei dem Selbstmordanschlag am Mittwoch (20.1.) getroffen wurde (Foto: Reuters/O. Sobhani)
Sieben Mitarbeiter von Tolo TV kamen bei dem Anschlag vom 20. Januar ums LebenBild: Reuters/O. Sobhani

Anschlag auf Pressefreiheit

Für die Journalisten und Medienunternehmen in Afghanistan ist ein Anschlag in dieser Form besorgniserregend. Es gibt immer wieder Angriffe auf einzelne Journalisten, aber der Anschlag auf den Minibus vor dem Sender Tolo TV ist für viele gleichbedeutend mit einem Anschlag auf die junge Pressefreiheit Afghanistans. Während der Herrschaft der Taliban waren Medien in Afghanistan verboten. Erst nach 2001 konnten TV- und Radiosender wiedereröffnen. Seitdem ist die Freiheit und Vielfalt der Medienlandschaft geradezu exemplarisch für die ganze Region. Laut einer Studie der Altai Consulting Gruppe im Jahr 2014 gibt es 175 Radiosender und 75 TV Sender in ganz Afghansitan.

Tolo TV ist dabei einer der beliebtesten im ganzen Land und sendet vor allem unterhaltende Formate wie Serien, Casting- oder Talkshows. Für die Afghanen steht der Sender für eine fortschrittliche, moderne afghanische Gesellschaft. Das macht ihn zum natürlichen Feind der Taliban. So twitterte Elham Gharji: "ToloTV ist das Gesicht für den Wandel Afghanistans zu einer besseren und freien Gesellschaft.Eine freie Gesellschaft wird das Denken der Taliban beenden."

Boykott der Taliban?

Der Vorsitzender der Medienorganisation NAI Supporting Open Media, Sediqullah Tawhidi, sagte in einer Pressekonferenz am Donnerstag (21.01.2016) die Taliban müssten die Konsequenzen ihres unverzeihlichen Verhaltens zu spüren bekommen. "Die afghanischen Medien werden ab jetzt ihre Medienpolitik und Berichterstattung über die Taliban verändern." Zur Diskussion steht eine Unterbrechung der Berichterstattung über Aktivitäten und Anschläge der Taliban. Das hatte es bereits 2014 im Umfeld der afghanischen Wahlen gegeben. Damals hatten einige Journalisten des Landes 15 Tage nicht mehr über Angriffe der Taliban berichtet. Sie wollten so den Menschen die Angst nehmen und damit die wirksamste Waffe der Terroristen entschärfen. Ob es jetzt zu einem Boykott der Medien kommt und wer daran teilnimmt, wird sich in den nächsten Tagen entscheiden.

Techniker bei einer Produktion im Studio von Tolo Tv in Kabul (Foto: picture-alliance/AP Photo/M. Hossaini)
Tolo TV ist ein Partnersender der Deutschen WelleBild: picture-alliance/AP Photo/M. Hossaini

Ende für Kultur der Straflosigkeit

Außerdem forderte Tawhidi die Regierung auf, ihrer Verantwortung nachzukommen. "Wir fordern von der Regierung, dass sie die Verantwortlichen dieser Angriffe zur Rechenschaft ziehen." Der Appell richtet sich an die afghanische Menschenrechtskommission. Bisher sei die Regierung ihrer Verantwortung nicht nachgekommen. Nur selten würden Anschläge auf Journalisten von der Justiz verfolgt. Im Jahr 2015 verzeichnete NAI insgesamt 905 Angriffe auf Journalisten, davon wurden die meisten von Extremisten verübt.

Es sei wichtig, der Kultur der Straflosigkeit ein Ende zu bereiten, sagt auch Abdul Hamid Safwat, Dozent an der Universität Balkh. "Wir erwarten von der Menschenrechtskommission, dass sie sich ihres hohen Amts würdig erweist und der Sache konsequent nachgeht."

DW-Korrespondent Hussain Sirat hat aus Kabul zur Berichterstattung beigetragen.