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Medienpreis mit Merkel für "Gomorrah"-Autoren Saviano

Kay-Alexander Scholz15. September 2016

Wie findet Europa aus der Krise? Beim Medientreffen M100 nahm - unmittelbar vor dem Zukunfts-EU-Gipfel in Bratislava - auch die Kanzlerin dazu Stellung. Preisträger Roberto Saviano lobte die deutsche Willkommenskultur.

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Deutschland Preisverleihung M100 Medien-Award in Potsdam - Roberto Saviano
Roberto Saviano: "Der Preis ist nicht nur eine Ehrung, sondern er bedeutet auch Schutz."Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in den letzten Wochen in Sachen Europa Mal wieder mächtig stark gemacht: Sie hat mit den meisten Amtskollegen der anderen EU-Staaten gesprochen, um ein Stimmungsbild zu bekommen. Bei einigen war sie auch zu Besuch - wie noch am Donnerstagvormittag in Paris, wo sie Francois Hollande traf. Der kommende Gipfel ab Freitag in Bratislava soll der EU ohne Großbritannien einen Weg in die Zukunft weisen.

Doch Merkel dämpfte in ihrer Rede bei der Preisverleihung zum M100-Award in Potsdam am Donnerstagabend nach ihrer Rückkehr aus Paris die Erwartungen. Es gebe noch sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie Europa zu verbessern sei. "Die Gespräche mit meinen Amtskollegen haben das sehr deutlich gemacht", so Merkel - wobei sie das "sehr" betonte. Der Abstimmungsprozess werde wohl noch bis zum Frühjahr dauern.

Merkel: Europa muss nicht alles regeln

Wobei in Bratislava eigentlich sowieso keine Entscheidungen zu erwarten sind, da es ein informeller Gipfel ist. Merkel machte dennoch klar, was ihrer Meinung nach die Ziele dabei sein sollten: einen "echten europäischen Mehrwert für die Bürger und eine breite Akzeptanz in den Ländern" zu schaffen. Was auch eine Frage der Zuständigkeiten ist, wie sie beschrieb: "Ein mutiges Europa, ein Europa der Freiheit, ist ein Europa, das nicht alles regelt." Sondern manches auch bei den Ländern oder Kommunen belasse.

Aktuell gebe Europa kein gutes Bild ab, so Merkel: "Es ist ganz und gar nicht gut, wie Europa derzeit verfasst ist." Doch - und dann kam ein "Merkel-Klassiker" - Europa könne aus dieser Phase besser herauskommen, als es hineingegangen ist. So ähnlich hatte Merkel auch bei den vergangenen Krisen Optimismus verbreitet. Und im Fall Deutschland und Finanzkrise auch Recht behalten.

Medientreffen mit Preisverleihung

Merkels Rede war ein Höhepunkt bei dem diesjährigen Medientreffen M100 in Potsdam, bei dem sich internationale Journalisten und Wissenschaftler mit Politikern und Vertretern von NGOs treffen. Mit dabei ist immer auch ein wenig Prominenz bei diesem Treffen in der Orangerie im Potsdamer Park "Sanssouci". In diesem Jahr stand das Treffen unter der Überschrift "Krieg oder Frieden". Merkel trat schon das dritte Mal als Hauptrednerin dieses seit 2005 stattfindenden Treffens auf.

Internationale Medienkonferenz M100 in Potsdam, Roundtable und Can Dündar und Kai Diekmann davor im Sessel sitzend (Foto: Dpa)
"Krieg oder Frieden" lautete die Überschrift der hochkarätig besetzten M100-Diskussionen. Rechts im Bild: der türkische Journalist Can DündarBild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Der andere Höhepunkt des Tages war die Verleihung des "M100 Media Award" an den italienischen Schriftsteller und Journalisten Roberto Saviano. Der 36-jährige Mafia-Experte, der seit Jahren unter Polizeischutz steht und 2006 durch das Buch "Gomorrah" berühmt wurde, müsse im Untergrund leben, hieß es zur Begründung. Er teile damit das Schicksal einer wachsenden Zahl von Journalisten in Europa und weltweit, die wegen ihrer Arbeit bedroht, eingesperrt, gefoltert oder umgebracht würden.

Saviano habe seinen Mut "mit einem Leben im Unsichtbaren bezahlt", erklärte Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" in der Laudatio. Der Preis trage dazu bei, "Saviano in seiner Heimat ein Stück sicherer zu machen", sagte Di Lorenzo. "Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist für ihn nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern seine Lebensversicherung."

Auch Merkel hatte Saviano in ihrer Rede gewürdigt. Der Kampf für die Pressefreiheit erfordere den Mut engagierter Reporter. "Und Sie, Herr Saviano, verkörpern diesen Mut", betonte die Kanzlerin. Das verdiene Dank und Respekt. Merkel schlug einen Bogen zu aktuellen Einschränkungen der Pressefreiheit in der Türkei. Sie nannte den in seiner Heimat nun verfolgten Journalisten Can Dündar. Der ehemalige Chefredakteur der Zeitung "Cumhuriyet" war auch zu Gast bei M100. "Die Pressefreiheit verdient ihren Namen nur, wenn sie gelebt werden kann", sagte Merkel.

Deutschland Preisverleihung M100 Medien-Award in Potsdam - Saviano & Merkel
Angela Merkel dankte Saviano für seinen MutBild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Lob für Deutschlands Willkommenskultur

Der Preisträger selbst hielt eine leidenschaftliche Rede, in der auch er seine Ideen zu Europa äußerte. Europa sei in den letzten Jahren zu stark auf den wirtschaftlichen Aspekt reduziert worden und innerlich erstarrt. Es fehlten Herz und Seele. Als große Ausnahme lobte Saviano die deutsche Willkommenskultur in der Flüchtlingskrise. Die solidarischen "Szenen des deutschen Volkes" hätten das Herz Europas gezeigt und damit weit in eine mögliche Zukunft gewiesen.

Merkel hörte das mit Wohlwollen. Ein solches Lob über die Zeit vor einem Jahr und ihre Flüchtlingspolitik hat sie in Deutschland schon lange nicht mehr gehört. Wer Empathie zeige und keine Scheu vor Komplexität habe, der sei immun gegen die Gefahren von falschem Nationalismus, einer realen Gefahr in Europa, sagte Saviano zum Schluss.