Medikamentennotstand im Iran
2. November 2018Gegen 20 iranische Firmen und Banken hat Washington Mitte Oktober neue Sanktionen verhängt - wegen ihrer Verbindungen zu den Islamischen Revolutionsgarden. Zu den betroffenen Banken gehört auch die Bank Parsian, die bislang eine Schlüsselfunktion bei der Abwicklung des Imports von Medikamenten und Agrarprodukten hatte.
Seit die USA ihren Ausstieg aus dem Atomdeal verkündet haben, herrsche Chaos auf dem Medikamentenmarkt, sagt Nazi aus Teheran am Telefon. Die 44-jährige Hausfrau und Mutter leidet an multipler Sklerose. Ihre Medikamente sind im Iran knapp geworden, wieder einmal. "Sie würden nicht mehr importiert, habe ich in mehreren Apotheken gehört", erzählt sie der Deutschen Welle.
Im vergangenen Jahr hatte Irans Außenminister Mohammad Javad Sarif am Welttag der multiplen Sklerose die Betroffenen in seinem Land noch wissen lassen, dass dank des Atomabkommens die schwierigen Zeiten vorbei seien. "Ihre Medikamente können jetzt wieder importiert werden", erklärte Sarif damals.
Informelle Kanäle
Der Iran produziert zwar mehr als 90 Prozent seiner Medikamente selbst. Aber die Einfuhr von Rohstoffen für die pharmazeutische Industrie und von Spezialmedikamenten wird durch die Finanzsanktionen erschwert. Schon vor vier Monaten warnte der iranische Gesundheitsminister Hashemi: "Ein Sturm kommt auf uns zu. Wir müssen den Menschen die Wahrheit sagen." Der Abgeordnete Mohammad Naaim Aminifard gab Mitte September im Gesundheitsausschuss zu Protokoll: "Mehr als 80 Medikamente sind jetzt schon knapp. Keiner kann leugnen, dass wir unter Medikamentenknappheit leiden."
Hunderte von Rezepten stapeln sich seit Wochen bei Solmaz Eikder. Die iranische Journalistin lebt in der Türkei. "Ich habe in sozialen Netzwerken ständig Nachrichten über Medikamentenknappheit im Iran gelesen", sagt Eikder am Telefon." Anfang September habe ich auf meinem Twitter-Account mitgeteilt, falls jemand Medikamente braucht, die im Iran nicht mehr erhältlich sind, kann man mich per Mail kontaktieren." Mit der Flut an Anfragen hat Solmaz nicht gerechnet. Seit Wochen versucht sie, die benötigten Medikamente zu besorgen und iranischen Touristen mitzugeben, die nach Hause zurückkehren.
Iranische Führung in Erklärungsnot
Die iranische Führung hat unterdessen die Zahl der subventionierten Medikamente von 800 auf nur noch 30 bis 40 reduziert, trotz der Teuerung, die auch diesen Sektor betrifft. Die Maßnahme ist eine Reaktion auf den Einbruch bei den Einnahmen durch Ölexporte. "Wir haben alles unter Kontrolle", behauptete der Sprecher des Gesundheitsministeriums am 5. November. "Wir produzieren 99 Prozent unserer Medikamente selbst." Im Sommer hatte Gesundheitsminister Hasan Ghazizadeh Hashemi die Ärzte des Landes aufgefordert, iranische Medikamente zu verschreiben. Man wisse zwar, dass die Qualität der einheimischen Produkte besser sein könnte, aber in der aktuellen Situation dürfe man die Patienten nicht zu sehr beunruhigen.
"Ich tue mich schwer, meinen Patienten diese Medikamente zu verschreiben. Besonders bei Krebsmedikamenten sehen wir starke Nebenwirkungen", sagt der Onkologe Hamid Dehghan Menshadi aus Teheran. "Viele von meinen Patienten wären immer noch am Leben, wenn sie die richtigen Medikamente genommen hätten." Auch Nazi will keine Medikamente aus iranischer Produktion einnehmen. "Mir bekommen die iranischen Medikamente nicht gut. Am liebsten würde ich gar keine mehr nehmen."