Medizinische Engpässe im Libanon
30. August 2006Auf das Kommando von Schwester Marie Rachel, der Leiterin der Gesundheitsstation im Dorf Barqa, legen ihre Mitarbeiter eine libanesische Musik- und Tanzeinlage ein. Auch wenn Krieg sei, so Rachel, Gäste müssten nun mal gebührend empfangen werden. Doch schnell wendet sich das Gespräch ernsteren Themen zu - den Wochen des Krieges: "Wir hatten riesige Angst, als die ganzen Flugzeuge über uns hinwegeflogen sind. Wir sind hier eine christliche Region, hier ist keine Hisbollah, die Krieg führt. Die ist auf der anderen Seite, zehn Kilometer von hier entfernt."
Katastrophale Versorgungsengpässe
Die kleine Krankenstation erlebte in den letzten Wochen einen regelrechten Ansturm von Flüchtlingen. Mehr als 1000 Menschen suchten hier medizinische Versorgung: Sie kamen aus der nahe gelegenen Stadt Baalbeck, aus dem Süden sowie aus der Hauptstadt Beirut. Das größte Problem der Ärzte und Krankenschwestern sei die knappe Medikamentenlage gewesen - die Behandlung chronischer Krankheiten sei laut Rachel eine Katastrophe gewesen. Die meisten hätten ihre Medikamente zu Hause zurückgelassen und seien einfach nur geflohen. "Und wir mussten sie irgendwie versorgen."
Zum ersten Mal seit Ausbruch des Krieges kann Schwester Marie Rachel nun ihre Apotheke wieder auffüllen. Ein Erkundungsteam der Malteser hatte vorsorglich Medikamente mitgebracht. Mittlerweile haben sie sechs Tonnen alleine nach Beirut transportiert, die jetzt nach und nach auf die Gesundheitsstationen in den Regionen verteilt werden. Vorausgesetzt, die Zentren sind überhaupt noch funktionstüchtig.
Auch psychologische Betreuung notwendig
Etwa eine Autostunde südlich von Barqa deutet äußerlich nichts mehr auf die Spuren eines Krieges hin. Hier liegt ein Gesundheitszentrum oberhalb der Straße am Hang. Blühende Oleanderbüsche säumen die Zufahrt, die Terrasse bietet einen atemberaubenden Blick über das Beeka-Tal. Doch der Krieg ist hier bis vor die Haustür gekommen, erzählt die Leiterin Schwester Gilberte. Ein vorbeifahrender libanesischer Militärkonvoi wurde von israelischen Flugzeugen bombardiert: "Ich war als einzige Schwester hier, als es plötzlich losging: Frauen schrieen, überall war Feuer, Männer riefen Befehle. Ich habe erstmal gar nicht begriffen, was genau passiert ist. Aber dann kamen drei Soldaten zu mir, mit Wunden am ganzen Körper."
Schwester Gilbert erzählt auch von dem Flüchtlingslager, das es ganz in der Nähe gegeben hat. Viele der Menschen dort hätten vor allem an seelischen Wunden gelitten und sich in ihrer Angst völlig nach innen gekehrt. Das Personal des Gesundheitszentrums versuchte zwar, so gut es ging zu helfen, doch sei dies sehr schwierig gewesen.
Viele hätten unter schweren Trauma- und Stress-Erscheinungen gelitten – für Ingo Radtke, den Leiter des Malteser-Erkundungsteams, eine fast schon logische Folge des Krieges. "Die Menschen sind nicht sicher, ob der Waffenstillstand hält und ob er sich wieder zu einem relativ stabilen Frieden auswächst. Es ist sehr viel Angst da, dass es zu einem weiteren Waffengang kommen könnte."