Medwedew: "Nord Stream 2 ist rein kommerziell"
23. Juli 2021Das umstrittene Gasprojekt Nord Stream 2 wird zu Ende gebaut. Das gilt mittlerweile als sicher, nachdem Deutschland und die USA ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet haben. Darin wird Russland in die Pflicht genommen, den Gastransit durch das Nachbarland Ukraine weiter zu ermöglichen. Andernfalls verpflichtet sich Deutschland, Russland mit Sanktionen zu bestrafen.
"Sanktionen werden wir überleben"
In einem Interview, das die Deutsche Welle für die Dokumentation "Angela Merkel – Kanzlerin in Krisenzeiten" führte, schätzt der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew die Gas-Vereinbarung insgesamt positiv ein: "Obwohl einige Formulierungen uns nicht gefallen und darin ein paar Klauseln zu Sanktionen enthalten sind, ist es immer noch besser, als das fast fertig gestellte und für Europa so wichtige Projekt zu begraben,” so Medwedew.
Auf die DW-Frage, ob Russland Angst vor möglichen Sanktionen hätte, erwiderte der Vorsitzende der Regierungspartei "Einiges Russland": "Wenn jemand diese Sanktionen einführt, werden wir sie überleben.”
Hintergrund der deutsch-amerikanischen Vereinbarung sei aber vielmehr der Unwille des Westens, Nord Stream 2 als erfolgreiches Projekt zu betrachten: "Wir sehen einen rituellen Tanz europäischer und amerikanischer Politiker darum, die Tatsache anzuerkennen, dass das Projekt Nord Stream 2 gelungen ist.”
Gegenseitige Abhängigkeit
Den Vorwurf von Kritikern, Deutschland werde durch die jetzt mögliche Fertigstellung von Nord Stream 2 zu sehr von Russland abhängen, weist der ehemalige russische Präsident und Regierungschef entschieden zurück: "Beim Handel kann man nie zu sehr abhängig sein. Handel ist immer beiderseitig. Während Deutschland von den russischen Gaslieferungen abhängt, hängt Russland von den Martkpreisen ab und davon, dass diese Liefermengen auch abgenommen werden.”
Medwedew ist überzeugt, dass das Nord Stream 2-Projekt kein politisches sei, sondern rein kommerziellen Charakter habe. Schwierigkeiten auf dem Weg zur Fertigstellung der Pipeline hätten die USA nur aus eigenem wirtschaftlichen Interesse gemacht: "An einem bestimmten Punkt stießen unsere Interessen auf die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika, die erkannt haben, dass es viel profitabler ist, ihr eigenes Flüssiggas nach Europa zu liefern und damit Geld zu verdienen.” Die Amerikaner hätten Druck gemacht, der wiederum zu Problemen mit Nord Stream 2 geführt habe. "Diese Probleme sind also auf Wirtschaftsinteressen der USA und auf ihren gewissenlosen Konkurrenzkampf auf dem europäischen Markt zurückzuführen," so Medwedew.
Dass das aktuelle deutsch-amerikanische Abkommen zu Nord Stream 2 ohne russische Beteiligung abgeschlossen wurde, bedauert Moskau übrigens. Für Kremlsprecher Dmitri Peskow sei das, als sei bei einer Hochzeit der Bräutigam nicht eingeladen. Russland, betont auch er, habe niemals die Gasversorgung als politisches Instrument genutzt.