"Mehr als nur den Hammer schwingen"
8. Dezember 2014DW: Übernimmt der neue Präsident des UN-Menschenrechtsrates Joachim Rücker einen gut funktionierenden Apparat?
Peter Splinter: Ich glaube, er bekommt einen funktionierenden Apparat, der sich jedoch Herausforderungen stellen muss. Es gibt mehr Resolutionen, mehr spezielle Abläufe und es muss mehr Zeit in jede Sitzung investiert werden. Es besteht die Gefahr, dass der Rat überfordert wird, er leidet unter seinem eigenen Erfolg. Etwas, das er übernehmen wird und das vielleicht nicht einem so guten Zustand ist, ist die Präsidentschaft selbst. Sie muss die Art und Weise regeln wie der Rat arbeitet, wie er sich programmatisch ausrichtet oder wie er Debatten führt: Ob der Ton einer Debatte sehr aggressiv oder eher respektvoll ist, das variierte von einer Präsidentschaft zur nächsten. Es geht um Themen wie die Unterdrückung von Zivilgesellschaft und die Zusammenarbeit mit Menschenrechtsaktivisten. Auch geht es um die finanzielle Belastung des Rates, denn mehr Mandate und mehr Untersuchungsausschüsse erfordern mehr Mittel.
Wie wird der Präsident des UN-Menschenrechtsrates gewählt?
Die Präsidentschaft wechselt jährlich zwischen den Ländergruppen. Sobald eine Gruppe einen Präsidenten oder einen Vize-Präsidenten nominiert hat, ist die Angelegenheit praktisch entschieden. Formal muss der Rat natürlich noch zustimmen. Eine Sache ist noch wichtig zum Verständnis: Es ist keine deutsche Präsidentschaft, es ist die Präsidentschaft des UN-Botschafters Rücker. Er ist dabei aufgrund seiner persönlichen Befugnis.
Ist die Tatsache, dass ein Deutscher dem Menschenrechtsrat vorsteht, ein Zeichen dafür, dass Deutschland als Land international mehr Gewicht bekommt und Verantwortung übernimmt?
Ich bin ein bisschen skeptisch, ob das wirklich ein Zeichen ist. Deutschlands Rolle im Rat muss mehr an dem gemessen werden, was Deutschland als Ratsmitglied unternimmt, als daran, dass es den Präsidenten stellt. Welche Resolutionen bringt es auf den Weg? Wie verhält sich Deutschland in Debatten des Rates? Deutschland hat vielleicht dort nicht den Erwartungen entsprochen, wenn es darum ging aktiv Situationen, chronische oder akute Probleme in Ländern anzusprechen: die Usbekistans, die Ägyptens, die Bahrains der Welt. In diesem Bereich könnte Deutschland nach Meinung von Amnesty International und anderer NGOs sicherlich mehr tun, in dem es sein Gewicht in der Welt nutzt, um zu garantieren, dass der UN-Menschenrechtsrat bei einigen dieser schwierigen Menschenrechtssituationen hinschaut.
Hat diese Rolle hauptsächlich zeremoniellen Charakter, wie die Ratssitzung zu eröffnen oder den Hammer zu schwingen?
Ich bin überzeugt, dass er mehr kann als der Kerl, der den Hammer schwingt. Wir haben Präsidenten erlebt, die hatten kein Problem damit den Sitzungshammer zu schwingen und dabei zuließen, wie missliche Angelegenheiten außer Kontrolle gerieten: Die Debatte wurde gemein, hatte unbedeutende oder alberne Tagesordnungspunkte. Das Schwingen des Hammers ist nicht unbedeutend, aber die Präsidentschaft ist weit mehr als das: Seine Führung, insbesondere in einem Rat, der überlastet ist mit Fristen, die er einhalten muss; Debatten, die er führen muss; Resolutionen, die er verabschieden muss.
Sie haben Botschafter Joachim Rücker mehrmals getroffen. Wie stellt er sich auf seine neue Verantwortung ein?
Als Präsident, ist es nicht sein Job sich Sorgen über die Menschenrechtssituation in diesem oder jenem Land zu machen. Er muss sich um die organisatorischen Herausforderungen kümmern, wie er den Rat dazu bringen kann, so gut wie möglich zu arbeiten. Er wird ein Gefühl für diese Herausforderungen bekommen. Ich glaube, dass er so gut vorbereitet für die Präsidentschaft ist wie er es sein sollte.
Das Interview führte Claudia Witte
Peter Splinter ist Vertreter der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bei den Vereinten Nationen in Genf.