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Coffein und Co

Gudrun Heise15. März 2013

"Trink doch einen Kaffee, dann wirst Du wieder wach!" - Coffein hat bekanntlich eine aufputschende Wirkung. Die wissen auch Studenten zu nutzen. Aber bleibt es immer nur bei Kaffee?

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Angestrengt sitzt ein Student während der Vorbereitungen zu seinem Examen in einer Bibliothek über seinen Unterlagen und Fachbüchern. (Aufnahme von 2000).
Bild: picture-alliance/dpa

Die Konzentration lässt nach und der Tag scheint viel zu wenige Stunden zu haben - so geht es Studenten oftmals vor Prüfungen oder Examen. Sie greifen dann auf ein altbewährtes Mittel zurück: jede Menge Kaffee, denn der hält wach. Eine höher konzentrierte Form sind Coffeintabletten oder gar verschreibungspflichtige Medikamente, die viele, die unter Stress stehen, zum sogenannten Hirndoping schlucken. "Hirndoping ist die Einnahme von psychoaktiven Substanzen, also Substanzen, die eine Wirkung auf das Gehirn haben und die mit dem Ziel der Leistungssteigerung eingenommen werden. Die sind nicht frei erhältlich", erklärt Klaus Lieb, Direktor für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz. Dort wurde eine Studie zu dem Thema durchgeführt und Anfang des Jahres veröffentlicht.

Die Wissenschaftler haben rund 2600 Studenten danach gefragt, ob und wie oft sie leistungssteigernde Substanzen innerhalb des letzten Jahres eingenommen haben. "Coffeintabletten, Amphetamine, Ritalin und so weiter haben 20 Prozent der Studierenden im letzten Jahr mindestens einmal eingenommen, um ihre Leistung zu verbessern", fasst Lieb das Ergebnis zusammen. Diese hohe Prozentzahl kommt nicht zuletzt durch die Art der Befragung zustande: Die hat den Studenten zum einen absolute Anonymität bei der Beantwortung versichert und zum anderen wurde dabei aber auch nicht zwischen den verschiedenen Stimulanzien unterschieden - zwischen Coffeintabletten, Amphetaminen und verschiedenen Medikamenten zum Beispiel.

Ein überfüllter Hörsaal an der Karlsruher Universität Foto: Uli Deck dpa
Stress und überfüllte Hörsäle gehören zum studentischen AlltagBild: picture-alliance/dpa

Stephan Schleim, Professor für Neurophilosopie an der Universität München, hat sich intensiv mit dem Thema Hirndoping beschäftigt und zahlreiche Publikationen dazu veröffentlicht. Bereits seit einigen Jahrzehnten gebe es immer wieder Untersuchungen zu Hirndoping, sagt er. "Gerade Studierende sind eine beliebte Zielgruppe, weil es da einerseits direkt um geistige Leistungsfähigkeit geht und andererseits auch um junge Menschen, die mit neuen Substanzen experimentieren. Aber nach allen Studien, die ich kenne, bewegt sich das im einstelligen Prozentbereich."

Coffein, Ritalin, Amphetamin

Coffeintabletten sind zwar apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtig. Für andere Mittel gilt das nicht. Dazu gehört unter anderen Ritalin. Es hat stimulierende Wirkung und wird beispielsweise bei ADS, also bei Aufmerksamkeitsdefizit eingesetzt oder auch bei ADHS - bei dieser Störung kommt noch Hyperaktivität hinzu. Ritalin erhöht die Konzentration des Botenstoffes Dopamin, das generell als Glückshormon bekannt ist. Bei den Stimulanzen handele es sich teilweise um rezeptpflichtige Medikamente, gibt Stephan Schleim zu bedenken. Und die fielen teilweise sogar unter das Betäubungsmittelgesetz. "Es ist eben auch wichtig, dass man eine ärztliche Kontrolle hat und weiß, ob es nicht bestimmte, individuelle Risikofaktoren gibt, die dann zu einer lebensbedrohlichen Situation führen können."

Behälter mit dem Medikament Ritalin
Das Medikament Ritalin ist verschreibungspflichtigBild: AP

Jeder Mensch reagiert anders, auch auf Coffein. Auch die Wirkung ist individuell. Meist bestehe eine Abweichung zwischen der persönlich wahrgenommenen und der tatsächlich nachweisbaren Leistungsfähigkeit, erläutert Tim Pfeiffer-Gerschel, Diplom-Psychologe am Institut für Therapieforschung (FTI) in München. Personen, die Stimulanzien in größerem Ausmaß konsumierten, neigten zu Selbstüberschätzung.

Ein ständiges Auf und Ab

Auf ein Stimmungshoch folgt meist auch ein Stimmungstief. Und wenn die Wirkung der leistungssteigernden Stoffe nachlässt, dann greifen viele erneut zu Stimulanzien, um den Zustand aufrechtzuerhalten. Das hat seinen Preis: "Ich schreibe meine eigene Fähigkeit eigentlich nur der Tatsache zu, dass ich mich künstlich stimuliert habe", erklärt Pfeiffer-Gerschel. "Das ist sicherlich ein Aspekt, den wir unter die Faktoren für eine psychische Abhängigkeit einstufen würden." Darüber hinaus zeigten Untersuchungen, dass die Einnahme von Stoffen, die wach halten oder aber zu höherer Leistungsfähigkeit führen sollen, gar nicht unbedingt den gewünschten Effekt haben: Unter der Wirkung von Stimulanzien neigen Menschen dazu, impulsiver zu reagieren.

Bei Prüfungen kann das heißen, dass sie schneller antworten und das wiederum kann dazu führen, dass sie sogar schlechter abschneiden als ihre Kollegen oder aber genauso wie diejenigen, die Placebos bekommen haben. Die Art der geforderten Leistung spielt ebenfalls eine große Rolle. "Wenn Sie jetzt die Aufgabe haben, sich möglichst viele Ziffern zu merken oder die Figuren bei einem Memoryspiel, dann kann man das wahrscheinlich leicht verbessern," so Schleim. Wenn es aber um komplexere Aufgaben gehe oder ums Planen, dann schienen diese Mittel eher kontraproduktiv zu sein.

Nicht viel Neues

Untersuchungen zeigen, dass Studenten, die schlechtere Noten haben - die also im unteren Spektrum der Leistungskurve sind - eine Risikogruppe für Hirndoping darstellen. Dasselbe gilt auch für Menschen, die Stress stärker verspüren als andere. Die Grenzen zwischen der Tasse Kaffee zu viel und Hirndoping mit Medikamenten sind oft fließend und sich mit verschiedenen Substanzen aufzuputschen, ist nicht neu. Einige dieser Medikamente, so Schleim, seien schon sehr alt. Und es sei das persönliche Empfinden, man habe mehr Energie, könne wacher bleiben und die Leistungsschwelle könne verschoben werden. Aber der wichtige Aspekt sei eben, das sei keine neue Dimension des Denkens, sagt Stephan Schleim: "Wundermittel sind da sicher keine entdeckt worden."

Ein Tropfen Milch fällt spritzend in eine Tasse Kaffee (Foto: dpa)
Altbewährt: Kaffee stimuliert und hält wachBild: picture-alliance/ dpa