Klimawandel fördert Fehlernährung
7. März 2016Das Land gleicht einer braunen Wüste: Risse durchziehen die staubtrockene Erde, Dürre überzieht die Felder, verdorrte Pflanzen demonstrieren Blässe statt sattem Grün, ausgezehrtes Vieh sucht nach Krumen. Und auch den Menschen droht die Not. 14 Millionen an Hunger und unter Wassermangel leidende Menschen prophezeien die Vereinten Nationen dem südlichen Afrika in den nächsten Monaten - als Folge der schlimmsten Dürre in 111 Jahren.
Humanitäre Katastrophe droht
Hilfsorganisationen warnen auch vor humanitären Katastrophen in anderen Regionen des Kontinents, besonders in Äthiopien. Aufgrund des Wetterphänomens El Niño durchleidet das Land am Horn von Afrika schon das zweite Dürrejahr in Folge.
Nach Angaben von Hilfsorganisationen betrug die Ernteausbeute im Osten des Landes teilweise nur 30 Prozent. "Gerade chronisch arme Familien, die kaum Reserven bilden können, stehen jetzt vor dem Nichts", sagt Wolfgang Jamann, Generalsekretär von der Hilfsorganisation "Care International". Die Menschen brauchen dringend Unterstützung. Doch erst die Hälfte der notwendigen Gelder, die Äthiopiens Regierung von der Internationalen Gemeinschaft bekommen sollte, sind bereitgestellt worden. Zeichen von Unterernährung haben sich eingestellt - und es dauert Monate bis zur nächsten Ernte.
Tote durch Klimawandel bedingte Mangelernährung
Wir schreiben das Jahr 2016. Dieses Szenario hatte Marco Springmann für 2050 vorhergesagt. Der Experte für Ernährung und globale Klimapolitik ist Leiter einer Studie über langfristige Klimaveränderungen und ihre Folgen.
Berechnungen der Forscher der Uni Oxford zufolge werden Dürren Ernteausfälle und schwerwiegende Engpässe bei der Lebensmittelversorgung nach sich ziehen. Zum Vergleich: In Deutschland sind die Temperaturen seit 1850 durchschnittlich um 1,3 Grad Celsius gestiegen. Springmann rechnet daher mit mehr als 500.000 Todesopfern bis 2050 - sollte sich die globale Temperatur bis dahin im Mittel um 1,4 Grad Celsius erhöhen - seit Beginn der Industriellen Revolution. Es kommt auf jedes zehntel Grad an, den Klimawandel aufzuhalten.
"Unterernährung, aber noch mehr Fehlernährung werden zum Tode führen", so Springmann. Die Produktion von Obst und Gemüse wird schwieriger, so der Experte für globale Klimapolitik.
Qualität - nicht Quantität
Welchen Einfluss hat der Klimawandels auf die Zusammensetzung der Nahrung? Dieser Frage sind die Wissenschaftler nachgegangen. Es ging ihnen um die Qualität, nicht um die Quantität der Nahrungsaufnahme. Obst und Gemüse enthalten Vitamine, Mineralien und Wasser. Das Risiko, wegen des fehlenden Energiegehaltes der Lebensmittel, an Krebs zu erkranken, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, werde steigen. Nicht einbezogen in der Studie sind Todesfälle durch Hitzefolgen, Dengue oder Malaria.
"Wir haben jetzt schon das Problem von Fast Food und Junk Food", sagt Springmann. "Heute haben wir aber noch die Wahl. Und ließe man den Klimawandel unbeachtet, stünden 2050 Obst und Gemüse in ausreichender Menge zur Verfügung - trotz steigender Weltbevölkerung. Doch wir müssen die Auswirkungen der Erderwärmung mit einbeziehen - wie Dürren, Extremwetterereignisse und Ernteausfälle."
Besonders betroffen: mediterrane Regionen, in denen heute Nahrungsmittel produziert werden. Die Folgen sind ein geringes Angebot und höhere Preise. Bei ihren Berechnungen haben die Forscher Adaptationsstrategien - wie die Verwendung von resistenten Anbausorten - bereits berücksichtigt.
Allerdings wird die Weltbevölkerung weiter wachsen, sodass auch der Bedarf an Nahrung steigt. "Würde der globale Anstieg bis 2050 auf ein Grad Celsius beschränkt, könnten die Gesundheitsauswirkungen um ein Drittel beschränkt werden", erklärt Marco Springmann die Modellberechnungen. Dazu müsste der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase drastisch reduziert werden. Noch aber sieht es nicht nach einer Kehrtwende aus.
Besonders gefährdet: einkommensschwache Länder
Fast drei Viertel aller ernährungsbedingten Todesopfer durch den Klimawandel erwarten die Forscher der Uni Oxford für China und Indien. Allerdings mit einem Unterschied, so Marco Springmann: "Menschen in China sterben laut unseren Annahmen eher an Fehlernährung. In Indien führt laut Modellrechnungen Untergewicht zum vom Klimawandel bedingten Tod. Das gleiche gilt für Bedingungen der Menschen in Afrika."
Laut Springmann sei es von großer Bedeutung, die lokale Versorgung mit Obst und Gemüse sicherzustellen. Diese seien besonders bei Hitzewellen gute Wasserlieferanten.