Mehrheit der Chinesen für Todesstrafe
26. April 2005"Die Todesstrafe wird besonders häufig gegen Uiguren verhängt", klagt Dilxat Rexit, Sprecher des Uigurischen Weltkongresses in München. Die Uiguren sind eine Minderheit muslimischen Glaubens und leben in Xinjiang in Nordwestchina. Die Region gilt als ethnischer Konfliktherd.
Die Kommunisten hatten sich das Gebiet nach ihrer Machtübernahme 1949 in Peking einverleibt, seither kämpfen die Uiguren gegen die Fremdherrschaft und für die Wiederherstellung ihrer Republik Ostturkestan. "Die Behörden setzten jeden Ausdruck von Unzufriedenheit mit der Politik Pekings mit 'Separatismus' gleich, einem Verbrechen gegen die Staatssicherheit, bei dem die Todesstrafe droht", erklärt Brad Adams, Leiter der Asien-Abteilung von "Human Rights Watch".
Knapp sechs Dutzend Gründe
Mittlerweile können 68 Vergehen in China mit der Todesstrafe geahndet werden, darunter keineswegs nur grausame Gewaltverbrechen. Korruption, Steuerhinterziehung, Spionage, Menschenhandel oder der Besitz von größeren Mengen Drogen genügen der chinesischen Justiz, um den Genickschuss oder den Tod durch die Giftspritze zu fordern. Bei 19 der Strafrechtsbestände handelt es sich um reine Wirtschaftsdelikte.
Nach Berichten staatlicher chinesischer Medien beläuft sich der Schaden, der jährlich durch Korruption verursacht wurde, auf etwa ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Chinas Spitzenpolitiker sehen dadurch bereits "die soziale Stabilität bedroht". Für sie Grund genug, Korruption und Unterschlagung weiterhin mit Hinrichtung zu bestrafen. Viele chinesische Justizexperten lehnen es zwar ab, Wirtschaftsdelikte mit der Todesstrafe zu ahnden, das ficht die politische Führung Chinas aber nicht an.
"Hart durchgreifen"
China hat bereits vor mehr als 20 Jahren, 1983, eine landesweite Kampagne mit dem Namen "Hart durchgreifen" ins Leben gerufen, die in den Folgejahren immer wieder verschärft wurde. Offizielles Ziel der Kampagne: die Garantie der sozialen Stabilität. "Es ist eigentlich paradox, dass die chinesische Regierung einerseits ein friedliches China-Bild propagiert, anderseits die soziale Stabilität nur mit Gewalt wahren kann", sagt Hu Ping, Menschenrechtsaktivistin und Buchautorin.
Ende der 1990er Jahre wurde eine Verschärfung der Kampagne "Hart durchgreifen" angekündigt. "Im Zuge der politischen Kampagne werden zahlreiche Todesurteile im Eilverfahren ausgesprochen, weil Polizei und Justiz ihre hohe Arbeitseffizienz beweisen sollen. Dabei nehmen sie die Hinrichtungen von Unschuldigen billigend in Kauf", sagt Hu Ping. Amnesty International berichtet immer wieder von Hinrichtungen Schwangerer und Minderjähriger.
Mindestens 3400 Menschen wurden 2004 in China hingerichtet - mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Die Zahl hat amnesty international eigenen Angaben zufolge auf Grundlage von Internetberichten über Hinrichtungen berechnet. Die tatsächliche Zahl dürfte wesentlich höher liegen. Offizielle chinesische Statistiken unterliegen strengster Geheimhaltung.
Bevölkerung zufrieden
Der Großteil der chinesischen Bevölkerung ist jedoch mit der politischen Kampagne zufrieden. Nach einer Umfrage sind über 80 Prozent der Chinesen dagegen, die Todesstrafe in China abzuschaffen. Das wundert Hu Ping nicht: " Obwohl der Abschreckungseffekt von Hinrichtungen seit langem umstritten ist, sind sie aber immer noch einfacher und billiger als beispielweise langjährige Gefängnisstrafen. Die Menschen glauben an das Konzept von 'Auge um Auge, Zahn um Zahn'."
Ständiger Druck der internationalen Organisationen hat jedoch etwas bewegt: Im März 2004 Jahres setzten sich Delegierte des Nationalen Volkskongresses erstmals dafür ein, alle Todesurteile vom Obersten Gerichtshof überprüfen zu lassen. Geschehen ist bislang aber noch nichts.
Auch Hu Ping zweifelt daran, dass sich in der näheren Zukunft große Fortschritte ergeben könnten: "Solange es kein selbständiges Justizsystem gibt, solange sich das gesellschaftliche Klima nicht stark ändert, werden die Kriminalfälle und damit auch die Hinrichtungszahl in China nicht deutlich sinken. "