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Meier: Sanktionen jetzt schwierigste Frage

Hans Spross12. Juni 2015

In Wien ist der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergieorganisation zu vierteljährlichen Beratungen zusammengetroffen. Oliver Meier erläutert die Rolle der IAEA bei den Iran-Verhandlungen.

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IAEA-Hauptquartier in Wien (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Deutsche Welle: Welche Rolle spielt die IAEA im Tauziehen um ein Atomabkommen mit dem Iran?

Oliver Meier: Die IAEA ist an den Verhandlungen direkt nicht beteiligt. Sie wirkt im Hintergrund und stellt über ihre Berichte zum Iran eine verlässliche Grundlage für die Einschätzung zur Verfügung, ob und inwieweit der Iran seine schon gegebenen Zusagen umsetzt. Darüber hinaus ist die IAEA beauftragt worden, in Zusammenarbeit mit dem Iran herauszufinden, ob und inwieweit der Iran in der Vergangenheit an der Entwicklung von Atomwaffen geforscht hat. Zukünftige Hauptaufgabe der IAEA wird es sein, über einen sehr langen Zeitraum von 20 bis 25 Jahren zu überwachen, ob sich der Iran an das Abkommen hält, sofern ein solches erzielt wird.

Oliver Meier, Experte für Rüstungskontrolle bei der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik (Foto: SWP)
Oliver Meier ist Experte für Rüstungskontrolle bei der Berliner Stiftung für Wissenschaft und PolitikBild: SWP

Die IAEA ist also nicht direkt an den Verhandlungen beteiligt, aber sie stellt - im Auftrag der internationalen Gemeinschaft - Forderungen an den Iran, deren Erfüllung Teil eines Abkommens sein sollen. Worum geht es?

Es gibt erstens noch offene Fragen zu den militärischen Dimensionen des iranischen Atomprogramms. Und zweitens kann die IAEA gegenwärtig noch nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob es derzeit geheime Nuklearanlagen oder -materialien gibt, auch weil der Iran das sogenannte Zusatzprotokoll noch nicht ratifiziert hat.

Die IAEA möchte auch einige militärische Anlagen inspizieren, die nicht unbedingt mit dem Nuklearprogramm zu tun haben. Wenn es etwa um Entwicklung von Gefechtsköpfen für Raketen, Zünder oder elektronische Bauteile geht, so können die auch in Anlagen entwickelt werden, wo nicht mit Spaltmaterial gearbeitet wird. Da sagt der Iran: "Das wollen wir nicht." Er hat zwar in der Vergangenheit schon Zugang gewährt, aber nur auf freiwilliger Basis. Der Iran ist nicht bereit, der IAEA das Recht zu geben, jederzeit und an jedem Ort Inspektionen durchzuführen.

Inwiefern würde die Ratifizierung des Zusatzprotokolls durch den Iran die Bedenken der internationalen Gemeinschaft ausräumen?

Der Iran ist bereit, einen erweiterten Zugang zu gewähren. Hierfür gibt es das rechtliche Instrument des Zusatzprotokolls. Damit werden aber erst einmal nur Anlagen erfasst, in denen Nuklearaktivitäten stattfinden, also wo mit Uran oder Plutonium gearbeitet wird, oder wo Technologien vorhanden sind, die zur Verarbeitung solcher Stoffe geeignet sind, wie zum Beispiel Zentrifugen. Hier ist der Iran bereit, Inspektionen zuzulassen, will aber keinen "Blankoscheck" ausstellen. Es gibt auch keinen anderen Staat, der als Mitglied des Atomwaffensperrvertrags bereit wäre, ein solch weitgehendes Inspektionsregime zuzulassen. Man wird sich also darüber einigen müssen, welche zusätzlichen zeitlich begrenzten Inspektionsrechte die IAEA bekommt, etwa über eine Resolution des UN-Sicherheitsrates. Aber das wird sehr klar definiert sein, damit der Iran das akzeptiert.

(Archiv) Iranische Atomanlage (Foto: Getty Images)
(Archiv) Iranische AtomanlageBild: Getty Images

Welche Rolle spielt die von der internationalen Gemeinschaft verlangte Aufklärung der "möglichen militärischen Dimension" des iranischen Atomprogramms?

Der Iran hat zwar zugesagt, dass er dabei mitwirken will. Aber der Iran will der IAEA nicht grundsätzlich das Recht gewähren, seine Wissenschaftler zu befragen. Entscheidend ist, dass man mit hinreichender Sicherheit feststellen kann, dass solche Aktivitäten eingestellt wurden. Man wird wahrscheinlich nie im Detail feststellen können, was in der Vergangenheit passiert ist. Viele, wenn nicht alle entsprechenden Aktivitäten, die der militärischen Entwicklung von Atomwaffen dienten, sind immerhin schon 2003 eingestellt worden. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Frage nach der Aufklärung der Vergangenheit wohl erst nach einer möglichen Einigung Ende Juni in Angriff genommen wird.

Wie schätzen Sie trotz der beschriebenen Differenzen die Aussichten für einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen bis Ende Juni ein?

Mit dem vorläufigen Abkommen von Lausanne von Anfang April hat man die meisten wirklich wichtigen Fragen im Grundsatz gelöst. Vor allem durch die Begrenzung der Urananreicherung und die Versperrung der Plutoniumproduktion. Die Fragen, die jetzt noch Raum stehen, sind im Vergleich dazu - mit Ausnahme der Sanktionen - vergleichsweise unwichtiger oder einfacher zu lösen. Dadurch, dass der Iran akzeptiert hat, das Zusatzprotokoll zu ratifizieren, und bereit ist, darüber hinaus Informationen bereitzustellen, ist der Weg für eine Einigung über diese Details geebnet.

Der Iran verlangt die "sofortige Aufhebung aller Sanktionen" als Teil eines Abkommens, aber so einfach ist die Sache ja wohl nicht.

Das ist einer der schwierigsten Punkte, denn es gibt verschiedene Sanktionen, solche der UN, der EU, der USA, dort wieder intern verschiedene. Und es gibt auf beiden Seiten unterschiedliche Vorstellungen, wann welche Sanktionen unter welchen Bedingungen aufgehoben bzw. wieder in Kraft gesetzt werden können. Die USA befürworten ein automatisches Wiederinkrafttreten ("snap back") von Sanktionen bei Vertragsverletzung. Ich bin allerdings skeptisch, dass dem auch Russland und China zustimmen würden, denn das würde einen Verzicht auf ihre Rechte als Vetomächte bedeuten.

Die Frage der Verhängung und Aufhebung von Sanktionen ist letztlich eine politische und keine technische. Keine Regierung wird sich ohne Weiteres die Entscheidung hierüber aus der Hand nehmen lassen. Viel wichtiger ist meines Erachtens, dass man einen guten Mechanismus findet, um Probleme und Konflikte, die im Laufe der Umsetzung dieses Abkommens auftauchen werden, vernünftig zu lösen. Dort müsste man auch beraten können, wie man auf eine Änderung innenpolitischer Bedingungen reagiert, etwa nach den Präsidentschaftswahlen in den USA.

Welche Voraussetzungen müssen für die Aufhebung von Sanktionen erfüllt sein?

Zum einen soll es eine neue UN-Resolution geben, die die UN-Sanktionen auf neue Füße stellt und begrenzt, aber eben auch nicht sofort und vollständig aufhebt. Die Wirtschaftssanktionen insbesondere der EU sollen wohl erst aufgehoben werden, wenn die Umsetzung eines Abkommens beginnt. Dieser Zeitpunkt wird bestimmt nicht der 1. Juli 2015 sein, sondern dürfte eher im nächsten Frühjahr liegen.

Und hier kommt auch wieder die IAEA ins Spiel: sie muss bescheinigen, dass der Iran die Begrenzungen seines Atomprogramms, die in Lausanne schon beschrieben sind, umgesetzt hat. Der heißt konkret, der Iran wird die Menge seines angereicherten Urans auf 300 Kilogramm reduzieren müssen. Das dürfte dauern. Die Frage ist, wie er von den vielen tausend Kilogrammen, die er im Moment hat, herunterkommen will. Und er wird die Anzahl seiner Zentrifugen in der Anreicherungsanlage Natans reduzieren müssen. Rund 19.000 Zentrifugen sind im Iran installiert, nur 5000 sollen nach Beginn des Abkommens für die Dauer von zehn Jahren noch Uran anreichern. Diese Umstellung dürfte mehrere Monate dauern. Bis die IAEA diese Schritte bescheinigt hat, wird es sicher bis zum nächsten Frühjahr dauern. Erst dann dürfte über eine Aufhebung bestimmter Wirtschaftssanktionen zu entscheiden sein.

Dr. Oliver Meier ist Experte für Rüstungskontrolle bei der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik.