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Gesellschaft

Friedrich der Große aus Kinderaugen

Zhang Danhong
29. Juni 2018

Gemeinsam mit ihrer Tochter widmet sich Kolumnistin Zhang Danhong der deutschen Geschichte und reist quer durchs Land. Nach einem Besuch in Schloss Sanssouci hat Lucy den Preußenkönig zu ihrem Lieblingskönig erklärt.

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Schloss Sanssouci
Bild: DW/E.Kheny

Die nahe liegende Frage, wie viele Könige sie denn kenne, habe ich mir verkniffen. Aber nicht die nächste Frage, was ihr denn an diesem preußischen König so gefalle. "Er war schon als Kind ein Freigeist, hat nicht das gemacht, was sein Vater von ihm erwartet hatte und ist dann auch nicht so geworden wie sein Vater - zum Glück."

Nach dem Willen des Vaters, Friedrich Wilhelm I., sollte der Prinz Heereskunde als Leistungsfach wählen und sich ansonsten die Zeit in Männerrunden mit Tabak und Bier vertreiben. Friedrich aber dachte gar nicht daran, er spielte lieber Querflöte mit seiner Schwester und las viele Bücher, was heutige Eltern überglücklich machen würde. "Nicht viele hatten damals den Mut, sich dem Vater zu widersetzen", meint Lucy anerkennend, zumal wenn der Vater ein König war.

Einen schlimmeren Vater als diesen König kann sich meine Tochter nicht vorstellen: Er verbot seinem Sohn das Musizieren, verkaufte dessen Bücher und zwang ihn bei der Hinrichtung seines besten Freundes zuzusehen, nur weil dieser dem Prinzen bei der Flucht helfen wollte. "Ich hätte einen Aufstand gegen meinen Vater geführt", so Lucy. Vielleicht überwog bei Friedrich doch das Pflichtbewusstsein - und die Entschlossenheit, ein besserer König zu werden.

Mehr als dreimal Feuer entfacht

Und das wurde er. Nach seinem Amtsantritt am 2. Juni 1740 erließ er jeden Tag neue Anordnungen. Auf Chinesisch sagt man: "Jeder neue Funktionär entfacht dreimal Feuer." (新官上任三把火)Das Feuer steht hier für Reformen, um das Volk zu beeindrucken. So hat Friedrich II. die Folter abgeschafft und die Schulpflicht eingeführt. Er ließ Maulbeerbäume für Seidenraupen anbauen, um Seide zu produzieren. Am meisten begeistert Lucy die Einführung der Religionsfreiheit: "Jeder soll nach seiner Façon selig werden." Davon können sich so manche Könige und Herrscher von heute noch eine Scheibe abschneiden. Die Zensur hat er zwar nicht ganz abgeschafft, aber immerhin eingeschränkt, ganz im Geiste der Aufklärung. Das wundert meine Tochter nicht, schließlich sei er mit dem Vordenker der Aufklärung, dem französischen Philosophen Voltaire, eng befreundet gewesen. Überhaupt habe er sich mit den klügsten Köpfen seiner Zeit umgeben. Wer Zinnober gebraucht, der färbt sich rot; wer Tinte nimmt, färbt sich schwarz (近朱者赤,近墨者黑), sagt eine chinesische Weisheit.

Friedrichs d. Gr. Tafelrunde von Adolph Menzel
Friedrich der Große und seine berühmte TafelrundeBild: picture-alliance/akg-images

Die Toleranz des preußischen Königs war legendär. So gab er gegenüber dem hartnäckigen "Nagelhaushalt" (钉子户, ein Hausbesitzer, der im heutigen China sein Haus nicht für ein größeres Bauvorhaben veräußern will)auf dem Bauland für sein Schloss Sanssouci nach und änderte seine Baupläne. Die Mühle des unerschrockenen Müllers, der notfalls den König verklagt hätte, steht heute immer noch.

"Man versetze den Kerl zur Infanterie!"

Meine persönliche Lieblingsanekdote als Zeichen für seine Toleranz ist die folgende: Eines Tages bekam Friedrich den vertraulichen Brief eines Rittmeisters, in dem von den sodomitischen Neigungen eines seiner Kavalleristen berichtet wurde. Strafen hätten nicht gefruchtet. Friedrich antwortete: "Man versetze den Kerl zur Infanterie!"

Apropos Armee: Natürlich habe er Kriege geführt - aus heutiger Sicht nicht so gut, sagt Lucy: "Aber sie waren nicht ziel- und planlos. Deswegen waren das keine endlosen Kriege." Für meine Tochter ganz wichtig: "Er hat mitgekämpft." Wenn das auch die heutigen Politiker tun müssten, gäbe es vielleicht weniger Kriege.

Zhang Danhong
DW-Redakteurin Zhang DanhongBild: V.Glasow/V.Vahlefeld

Eindeutig auf die Negativ-Seite seiner Leistungsbilanz gehört, dass seiner Meinung nach Bauernkinder nur das Nötigste lernen und Mädchen nicht dieselben Chancen wie Jungs eingeräumt werden sollten. Aber auch hier übt Lucy Nachsicht mit ihrem Lieblingskönig: Man könne ihn nicht an den heutigen Maßstäbe messen.

Insgesamt habe er ein unabhängiges Leben geführt, resümiert meine 13-jährige Tochter. Sogar unabhängig von einer Frau. Er setzte um, was er vorhatte und war dabei äußerst kreativ. So hat er die Baupläne für sein Schloss selber gezeichnet. Hier wollte er "sorgenlos" den schönen Dingen des Lebens nachgehen, sich vor allem der Kunst widmen. Einen ganzen Raum hat er mit chinesischen Motiven geschmückt - sehr zur Freude von Lucy.

Seine Hunde und das Volk lagen ihm am Herzen

Tauschen möchte sie nicht mit ihm, obwohl er der mächtigste Mann im Land war. Einsam sei er oft im Leben gewesen, keine Frau habe ihn geliebt und umgekehrt. Wahrscheinlich hat ihm sein Vater mit der Zwangsheirat die Lust auf Frauen gründlich verdorben. Zusammen mit seinen Hunden wollte er im Park von Schloss Sanssouci begraben sein. Ohne Prunk. Diese Bescheidenheit berührt Lucy, auch wenn der Bau des Schlosses mehr gekostet hat als die Schlesienkriege.

Kolumne Zhang Sanssouci
So schlicht ist sein Grab - Kartoffeln dürfen nicht fehlenBild: DW/Zhang Danhong

Ach ja, die Kartoffeln dürfen nicht vergessen werden, sagt meine kleine Preußen-Expertin zum Schluss. Nach der Kriegsserie litt die Bevölkerung große Not. Um eine Hungerkatastrophe zu vermeiden, hat der alte Fritz, wie der König auch liebevoll von seinem Volk genannt wurde, durch mehrere Kartoffelbefehle den Anbau von Kartoffeln angeordnet. Er musste das Volk zu seinem Glück zwingen, da der Bauer (ähnlich wie die Kinder) nicht frisst, was er nicht kennt. Ohne Friedrich den Großen, der Preußen übrigens zu einer Großmacht in Europa gemacht hat, hätten wir heute vielleicht weder Kartoffelpüree noch Pommes. Was für eine schlimme Vorstellung!

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 25 Jahren in Deutschland.

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