Mein Deutschland: Pandabären - Chinesen, die jeder mag
5. Juli 2017Seit Wochen und Monaten wird kontrovers über die Panda-Diplomatie diskutiert, mit der China die Welt gefügig machen wolle. Dabei ist diese Panda-Diplomatie keineswegs eine Einbahnstraße. Ende der 1990er-Jahre finanzierte der deutsche Autohersteller Volkswagen eine Panda-Stiftung für den Pekinger Zoo. Inwieweit sich das positiv auf die Verkaufszahlen von VW in China ausgewirkt hat, lässt sich nicht belegen. Zu den unverhofften Profiteuren gehörte damals ich. Und zwar folgendermaßen:
Mein Schulfreund, der den PR-Coup von VW eingefädelt hatte, stand in engem Kontakt mit dem Leiter der Panda-Abteilung im Zoo von Peking. Da in China - ähnlich wie im Rheinland - durch Beziehungen alles möglich ist, ermöglichte dieser mir gemeinsam mit meiner damals einjährigen Tochter einen Besuch im Raum eines Panda-Babys während unseres China-Urlaubs. Und wir durften das schnarchende Wollknäuel streicheln! Seitdem bin ich diesem schwarz-weißen Tier hoffnungslos verfallen. So wie Hunderte von Millionen Menschen auf diesem Planeten.
Faulenzen und fressen, bis der Arzt kommt
Dabei ist diese immer weiter grassierende Pandamania nicht einfach zu erklären. Denn Pandabären sind eigentlich weder schön noch athletisch. Mit ihren schwarzen Augenrändern sehen sie aus, als ob sie nächtelang durchgemacht hätten oder sie ins Gesicht geschlagen worden seien. Sie sind die faulsten Geschöpfe, die man sich vorstellen kann. Den ganzen lieben Tag tun sie nichts anderes als schlafen und fressen. Bis zu 16 Stunden am Tag sind sie mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt. Dabei werden rund 30 Kilo Bambus weggeknabbert. Ein Drittel davon wird wieder ausgeschieden, weshalb die Autoren der Wochenzeitung "Die Zeit" ihr dreiseitiges Panda-Dossier mit "Mistvieh" betitelt haben.
Die Bären sind so träge, dass sie nicht mal Lust auf Fortpflanzung haben. Nur an drei Tagen im Jahr sind die Weibchen empfänglich. Wird einem Pärchen beim Sex Bambus vor die Pfoten geworfen, verlieren sie auf der Stelle das Interesse am Partner und wenden sich wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung zu.
Wem die Nachkommen so gleichgültig sind, der ist eigentlich zum Aussterben verdammt. So war der Panda-Bestand vor 50 Jahren auf rund 1000 Exemplare weltweit geschrumpft. Je weniger von etwas vorhanden ist, desto höher steigt der Wert. Das ist bei Geld oder Briefmarken so, das ist bei Tieren nicht anders.
Dennoch verdreht er allen den Kopf
Hinzu kommt, dass diese flauschigen Klopse einfach zu süß sind. Der sanfte Blick, das melancholische Lächeln, der rundliche Körper, der sich beim Schlaf zu einem Ball zusammenrollt oder lässig am Baum baumelt. Der Pandabär strahlt eine Gutmütigkeit und Hilfslosigkeit aus, dass man ihn einfach liebhaben muss.
Der Panda - ein Pazifist, Veganer und Antiheld, der nichts tut und nichts kann und der durch seine bloße Anwesenheit entzückt. Er ist anscheinend in der Lage, mehr Menschen um den Verstand zu bringen als Justin Bieber und der Dalai Lama zusammen.
Ja, diese knuffigen Bambusfresser scheinen eine Art Massenbeglückungswaffe zu sein. Da jeder Regierende, ob gewählt oder nicht gewählt, möglichst viele glückliche Untertanen im eigenen Reich haben möchte, stehen sie in Peking Schlange und betteln um ein Panda-Paar. So stand auch Angela Merkel vor zwei Jahren bei den Chinesen auf der Matte.
Wer ein Monopol hat, kann die Bedingungen diktieren
Und was macht die chinesische Regierung als alleinige Besitzer dieser "Waffe"? Das einzig Richtige: Sie lässt sich jeden Deal gut bezahlen. So muss jeder Zoo, für den ein ausländischer Staats- oder Regierungschef den Antrag stellt, ein Luxusgehege errichten. Außerdem werden die Pandas nicht verkauft, sondern nur verliehen - zu einer Jahresgebühr von einer Million Dollar. Das Geld wird größtenteils in Artenschutz und Forschung investiert. Mit Akribie und Hartnäckigkeit haben es die Chinesen geschafft, die bei der Geburt nur eine Möhre großen Panda-Babys in Naturparks oder Zuchtstationen aufzupäppeln und den Bestand so inzwischen nahezu zu verdoppeln.
Für die ausländischen Zoos sind die Investitionen ein lohnendes Geschäft, wenn man bedenkt, dass die Leihgabe aus China die Besucherzahl massiv erhöht und der bedachte Zoo im internationalen Tierpark-Ranking aufsteigt.
Win-Situation für Viele
So gesehen kann sich der Berliner Zoo ohne Abstriche freuen - und mit ihm die Stadt Berlin, die Bundesregierung, der Bambuslieferant, die Forschungsbasis für Pandabären der Stadt Chengdu. Und nicht zuletzt natürlich auch die chinesische Regierung, die ihrem Image ein tierisch sympathisches Antlitz verleihen kann. Also eine Win-win-win-win-win-win-Situation.
Offen bleibt einzig die Frage, ob sich Träumchen (Meng Meng) und Charmeur (Jiao Qing) in ihrem neuen Zuhause wohlfühlen und in dieser arrangierten Ehe auch mit sichtbarem Erfolg zueinander finden werden.
Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.
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