Sommer-Lieblingsort: Im Ruderboot auf dem Rhein
10. Juli 2017In einer Stadt ohne Fluss zu wohnen, das kann ich mir gar nicht mehr vorstellen. Mein Fluss ist der Rhein, ganz in seiner Nähe bin ich zu Hause. Ich sitze nicht nur gerne am Ufer und beobachte die vorbeiziehenden Schiffe. Lieber sitze ich selbst im Boot, genauer gesagt im Ruderboot.
Zehn Ruderclubs gibt es in Köln, einer davon ist der "Club für Wassersport Porz" im Kölner Vorort Zündorf. 1926 wurde er zunächst als Ruderverein gegründet, später kamen auch Motor- und Segelboote dazu. Schon der Zündorfer Hafen ist ein Ort der Erholung. Er wurde Mitte der 1970er Jahre zusammen mit einer Freizeitanlage als Naherholungsgebiet der Stadt Köln angelegt.
Im Ruderboot wandern die Gedanken
Rudern ist gesund für den ganzen Körper, weil fast alle Muskelgruppen bei diesem Ausdauersport beansprucht werden. Außerdem macht der gleichmäßige Ruderschlag den Kopf frei. Der Stress im Beruf, die anstehenden Erledigungen des Alltags, all das tritt in den Hintergrund.
Eine Rudertour auf dem Rhein ist wie ein kleiner Urlaub. 18 Kilometer geht es im regulären Ruderbetrieb rheinaufwärts bis nach Wesseling, hin und zurück, oder rheinabwärts, bis der Kölner Dom zu sehen ist und von da aus natürlich auch wieder zurück. Fast bei jedem Wetter.
Der Rhein verändert sich ständig
Auch wenn es immer die gleiche Strecke ist, langweilig wird der Fluss nie: Im Frühsommer die Enten mit ihren Küken im Unterholz, im Hochsommer die Badegäste in den Sandbuchten; die Fischreiher, die das ganze Jahr auf Beute lauern und dann im Herbst die Wildgänse, die sich am Himmel formieren und gen Süden ziehen. Oft rasten sie in großen Gruppen am Rheinufer.
Wenn es zu heiß wird, legen auch wir in einer sandigen Bucht an und wer will springt ins Wasser. Manche Bootsrestaurants haben gute Anlegeplätze. Im Sommer bleibt Zeit für ein kühles Getränk kurz vor dem heimatlichen Hafen. Die Weiden, die das Ufer säumen rascheln mit ihren silbrig glitzernden Blättern im Sommerwind. Abends, im Sonnenuntergang, wirkt dann selbst die Ölraffinerie bei Wesseling mit ihren rauchenden Schornsteinen idyllisch. Industrieromantik pur.
Idylle am Rhein mit Wermutstropfen
Nur der Gestank der Ölraffinerie erinnert einen daran, dass der Rhein auch seine Schattenseiten hat. Kurzzeitig ist die Idylle dahin. Auch dann, wenn große Frachter, Containerschiffe oder Ausflugsdampfer vorbeifahren. Schließlich gehört der 1230 Kilometer lange Fluss zu den meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt. Den Kölner Raum passieren täglich rund 200 Schiffe. Nicht nur die Abgase dicht über dem Wasser, auch die Wellen der großen Lastkähne machen der Besatzung in den vergleichsweise kleinen Ruderbooten zu schaffen.
Überhaupt ist der Rhein mit seinen Strudeln und Unterströmungen in diesem Gebiet recht tückisch. Doch alles ist eine Frage der Sichtweise: Bei manchem wächst gerade dann die Abenteuerlust, wenn es gelingt die hohen Wellen eines Kohleschleppers so zu nehmen, dass sie das Ruderboot sogar ein Stück flussaufwärts treiben.
Je nachdem ob es stürmt oder regnet, ob gerade Hoch- oder Niedrigwasser ist, jedes Mal sieht der Fluss wieder ganz anders aus. Bei Hochwasser treibt viel Holz im Wasser, dem man möglichst aus dem Weg rudert. Bei Niedrigwasser muss man sich die dann deutlich schmalere Fahrrinne mit den großen Schiffen teilen, die manchmal bedrohlich nahe kommen.
Wir sitzen alle in einem Boot!
In solchen Momenten weiß ich, was es wirklich heißt, wenn "alle in einem Boot sitzen". Kein Boot ist besser dazu geeignet, sich Gedanken über diesen Satz zu machen, als das Ruderboot. Gemeinhin wird die Redensart benutzt, wenn mehrere Menschen dasselbe Schicksal teilen oder in einer bestimmten Situation aufeinander angewiesen sind.
Im Ruderboot ist das keine passive Haltung in einer scheinbar ausweglosen Situation: Die Aufgaben sind klar verteilt. Immer gibt es ein Besatzungsmitglied, das das Boot steuert. Der Steuermann, beziehungsweise die Steuerfrau schaut nach vorne, während die Mannschaft mit dem Rücken zur Fahrtrichtung sitzt.
Wer steuert trägt also die Verantwortung, kennt das Gewässer, weiß wo Gefahren lauern und wie man ihnen ausweicht. Wichtig ist auch der "Schlagmann", beziehungsweise die "Schlagfrau", um den Ruderrhythmus vorzugeben, dem die anderen Bootsinsassen folgen. Alle ziehen im gleichen Takt, sonst geht es nicht vorwärts.
Das Wohl der Besatzung ist entscheidend
Und immer muss der Steuermann/die Steuerfrau ein Auge auf die Besatzung und ihr Befinden haben. Ist es zu heiß, dann gibt es öfter eine Pause. Ist der Schlag zu schnell, so wird er an die schwächeren Ruderer angepasst und verlangsamt.
Überhaupt liegt beim Wanderrudern - wie so oft im Leben - in der Ruhe die Kraft.
Mit einem ruhigen Schlag gleitet das Ruderboot am besten. Ist der Schlag zu hektisch, dann rollt die Mannschaft auf den beweglichen Sitzen schon Richtung Heck während das Boot noch vorwärts gleiten will. Dadurch bremsen die Ruderer ihr Boot und vergeuden unnötig Energie.
Ich fahre am liebsten im Spätsommer auf dem Rhein, wenn Wind, Wolken und die ersten gelblichen Blätter den Herbst ankündigen. Auch wenn das Ruderboot gegen den Strom und womöglich noch bei Gegenwind nur langsam vorwärts kommt, so bleibt doch das Gefühl, den Naturgewalten für einen Augenblick zu trotzen.