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Lieber kleine Schritte als keine Schritte

DW Mitarbeiterin l Kommentatorin, Umweltredaktion Louise Osborne
Louise Osborne
6. November 2022

Greta Thunberg meidet die diesjährige Weltklimakonferenz und wirft vielen Akteuren "Greenwashing" vor. Da ist zwar was dran. Vieles geht quälend langsam voran. Und doch ist das besser als nichts, meint Louise Osborne.

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Ägypten l COP27 Konferenzbereich im ägyptischen Ferienort Scharm el Scheich
Die COP27 findet im ägyptischen Ferienort Scharm el Scheich stattBild: Sayed Sheasha/REUTERS

Als ich Greta Thunberg zum ersten Mal persönlich sah, saß sie im Schneidersitz, allein vor einer weißen Wand, ihr Schild "Schulstreik für das Klima" neben sich aufgehängt. Das war 2018 auf der Weltklimakonferenz COP24 im polnischen Kattowitz, und kaum jemand wusste etwas über diese einsame, junge Demonstrantin.

Ein Jahr später, beim nächsten UN-Klimagipfel in Madrid, war es unmöglich, auch nur in Thunbergs Nähe zu kommen, da sie von Journalisten und Konferenzteilnehmern umringt war, die sich alle um ein Foto bemühten. Drei Jahre später meidet sie den Gipfel in Scharm el Scheich ganz und gar und bezeichnet ihn als Forum für "Greenwashing".

Profit auf Kosten des Planeten

Sie hat nicht unrecht. Die internationale Klimakonferenz COP bietet viel Raum für "Greenwashing": Die Regierungen geben inkonsequente Zusagen zur Emissionssenkung oder zur Bereitstellung von Finanzmitteln ab und beglückwünschen sich selbst zu den Maßnahmen, die sie zur Bekämpfung des Klimawandels ergreifen - auch wenn allgemein bekannt ist, dass diese nicht ausreichen. Und Unternehmen erhalten die Gelegenheit, ihre minimalen Maßnahmen zur Erreichung von Netto-Null-Emissionen zu präsentieren, während sie auf Kosten des Planeten Milliardengewinne einfahren.

Polen COP24 Klimakonferenz, Greta ThunbergGreta Thunberg sitzt neben dem COP24-Schild mit dem Schild "Schulstreik für das Klima"
Greta Thunberg auf ihrem ersten Klimagipfel im polnischen Kattowitz 2018Bild: Luise Osborne/DW

Und dann sind da noch die ärgerlich langsamen Verhandlungen selbst. Während Feuersbrünste Wälder vernichten und Häuser zerstören, Hitzewellen Tausende von Menschen töten und Überschwemmungen Gemeinden verwüsten, sitzen die Klimaverhandler in riesigen Sälen und debattieren über jedes Wort in jedem einzelnen Paragraphen, aus denen die Vereinbarungen darüber bestehen werden, wie die Emissionen der fossilen Brennstoffe, die den Planeten aufheizen, gesenkt werden sollen.

Ich habe an vier der letzten COP-Klimakonferenzen seit dem sogenannten historischen Durchbruch auf dem Gipfel 2015 teilgenommen, der zum Zustandekommen des Pariser Abkommens und zu den Zusagen führte, die Kohlenstoffemissionen auf ein Niveau zu senken, das die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau begrenzt. Doch die Länder haben es immer wieder versäumt, die dringend erforderlichen raschen Maßnahmen zur Umsetzung dieser Ziele zu ergreifen.

Bewegung in die richtige Richtung

In seinem diesjährigen Emissionslückenbericht schätzt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, dass sich der Planet bei den derzeitigen Maßnahmen um 2,8 Grad Celsius erwärmen würde - das ist immer noch viel zu viel, vor allem angesichts der immer extremeren Wetterlagen, die wir bereits als Folge der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung erleben.

Aber es ist weniger als der Temperaturanstieg, den wir nach den allerersten Vereinbarungen zur Emissionsreduzierung gesehen hätten. 2016 hatte das UNEP noch geschätzt, dass wir auf dem Weg zu einer Erwärmung von bis zu 3,4 Grad sind. Die Erfolge sind also nicht groß, und es geht nur langsam voran, aber es bewegt sich etwas - und es geht in die richtige Richtung.

DW Mitarbeiterin l Kommentatorin, Umweltredaktion Louise Osborne
DW-Umweltredakteurin Louise OsborneBild: privat

Trotz aller Probleme bieten diese internationalen Gipfeltreffen eine Plattform für Transparenz und Rechenschaftspflicht. Was sonst oft hinter verschlossenen Türen geschieht, wird hier an die Öffentlichkeit gebracht. Die Regierungen machen öffentliche Zusagen zur Emissionsreduzierung und zu den Finanzen, die nachverfolgt und überprüft werden können. Nichtregierungsorganisationen und die Zivilgesellschaft können darauf reagieren, was die Länder tun - oder nicht tun.

Austausch von Ideen und Lösungen

Die Konferenzen bringen auch Zehntausende von Delegierten zusammen. Mehr als 30.000 Vertreter von Regierungen, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und zivilgesellschaftlichen Gruppen aus der ganzen Welt nehmen am diesjährigen Gipfel in Ägypten teil. Es ist die einzige Gelegenheit im Jahr, bei der so viele Menschen, die sich dem wichtigen Thema Klimawandel widmen, zusammenkommen können, um Ideen und Lösungen auszutauschen.

Und das persönliche Zusammentreffen schafft eine gewisse Vertrauensbasis. Da die Entwicklungsländer versuchen, sich Gehör zu verschaffen und finanzielle Unterstützung für die Veränderungen zu erhalten, die sie vornehmen müssen, um mit den Auswirkungen des Klimawandels leben zu können, ist es nützlich, den Vertretern der reicheren Länder in die Augen schauen zu können.

Angesichts des sich beschleunigenden Klimawandels und der immer deutlicher spürbaren Auswirkungen müssen die Regierungen schnell handeln. Das Zeitfenster für die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius schließt sich schnell. Diese globalen Klimakonferenzen bieten sicher nicht alle Antworten. Aber die Menschheit hat mit ihnen eine größere Chance, diese Ziele zu erreichen, als ohne sie.

Aus dem Englischen adaptiert von Thomas Latschan.