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Deutschland lockert, ein Restrisiko bleibt

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Jens Thurau
16. Februar 2022

Kanzler und Ministerpräsidenten wollen trotz hoher Infektionszahlen bis zum 20. März so gut wie alle Corona-Beschränkungen aufheben. Dadurch rückt die Debatte um eine Impfpflicht in den Mittelpunkt, meint Jens Thurau.

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Hinweisschild "Zutritt nur mit 2G+ / Geimpft oder Genesen sowie Booster-Impfung oder Negativ Test" vor dem Eingang des Deutschen Museums in München
Solche Schilder sollen in gut einem Monat Geschichte sein in DeutschlandBild: Peter Kneffel/picture alliance/dpa

War es das mit Corona in Deutschland? Fast kann man den Eindruck gewinnen. Zwar sind die Zahlen der täglichen neuen Infektionen weiter erschreckend hoch, aber sie fallen seit einigen Tagen und haben ihren Höhepunkt offenbar überschritten. Und so rückt im Alltag der Menschen die Pandemie immer mehr in den Hintergrund.

Zwar kennt mittlerweile eigentlich jede und jeder in diesem Land mehrere Infizierte, aber den Schrecken hat das Virus jedenfalls im Moment verloren. Die Omikron-Variante steckt viele an, ist aber in ihrem Verlauf zumeist milde. Deswegen schrecken die täglichen Inzidenzen von rund 1400 kaum noch auf, entscheidendes Kriterium ist die Lage in den Krankenhäusern, und die scheint beherrschbar. Jedenfalls im Moment.

Auch in anderen Ländern wird gelockert

Deswegen musste die Politik, mussten der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten der Länder reagieren, und sie haben es getan. Einige Bundesländer waren bereits mit Lockerungen vorgeprescht, jetzt sollen für alle gelten: Schrittweise fallen bis zum 20.März fast alle Beschränkungen, die die Menschen seit bald zwei Jahren erdulden. Dazu gibt es keine Alternative, die Freiheitrechte haben in unserer Demokratie einen zentralen Stellenwert. Und sie können nur so lange eingeschränkt werden, wie es unbedingt notwendig ist. Und das ist im Moment nicht der Fall. Auch in anderen Ländern werden die teils drastischen Einschränkungen zurückgenommen.

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DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Unsicherheiten bleiben aber. Nach wie vor ist die Impfquote in Deutschland in Vergleich zu anderen Ländern gering, Mitte dieser Woche waren rund 75 Prozent der Menschen vollständig, also zweimal geimpft, aber eben 25 Prozent nicht. Alle Versuche der Politik, die Impfskeptiker zu überzeugen, auch mit millionenschweren Impfkampagnen, haben bislang nicht gefruchtet. Viele Menschen zögern auch mit der dritten Auffrischungs-Impfung, weil sie sich trotz zweier Impfungen eben doch infiziert haben.  

Deshalb ist es richtig, dass Scholz jetzt angekündigt hat, dass er das Infektionsschutzgesetz bis zum 20. März, dem Tag des Wegfalls so gut wie aller Einschränkungen, so verändern will, dass gegebenenfalls auch danach schnell auf eine erneute, prekäre Lage reagiert werden kann. Denn ohne eine Neufassung würden solche Maßnahmen dann nicht mehr möglich sein. Also etwa das Maskentragen und die Hygieneregeln, die auch nach dem 20.März weiter gelten sollen. Ärgerlich ist es deshalb, dass es dazu in den Regierungsfraktionen noch Bedenken gibt, weil die FDP in der Koalition von einem generellen "Freedom Day" am 20.März träumt und keine Rückgriffe auf mögliche Einschränkungen will. Aber der Druck ist doch groß, hier noch zu einer Einigung zu kommen.

Warnung vor Engpässen wegen der Impfpflicht

Und eine zweite, weit schwierigere Debatte rückt jetzt in den Mittelpunkt: Was bringen Impfpflichten? Beschlossen ist bereits, dass sich ab dem 15. März alle impfen lassen müssen, die im Gesundheitswesen arbeiten. Eigentlich. Denn der Widerstand dagegen ist nicht gering. In einem einsamen Beschluss hat etwa Bayern mitgeteilt, diese berufsbezogene Impfpflicht so nicht umzusetzen, jedenfalls vorerst nicht. Tatsächlich warnt auch die "Kassenärztliche Vereinigung" in Deutschland vor Versorgungsengpässen, wenn diese Pflicht jetzt kommt. Weil zwar die meisten Mitarbeiter geimpft sind, aber eben nicht alle.  

Und noch unsicherer ist, was aus der allgemeinen Impflicht wird, die die Regierung noch vor Ostern durch den Bundestag bringen will. Verwirrend vielfältig sind die Vorschläge, die auf dem Tisch liegen: Impflicht für alle ab dem 18.Lebensjahr, für alle über 50 oder am Ende gar keine Pflicht? Oder, wie es der Union vorschwebt, einer stufenweisen Impfplicht, je nach Pandemielage? Das Meinungsbild dazu im Parlament ist unklar. Aber egal, für welche Variante man sich entscheidet: Für eine allgemeine Impfpflicht zu argumentieren, wird immer schwerer, wenn gleichzeitig fast alle Beschränkungen fallen. Gut möglich, dass die Impflicht am Ende doch nicht kommt.

Die Menschen sind pandemiemüde

Und so ist denn die Lage Mitte Februar 2022: Deutschland freut sich auf den Frühling, auf volle Fußballstadien, Einkaufsbummel ohne einschränkende Regeln, auf Begegnungen und Kontakt. Und die Politik setzt darauf, dass die nächste Variante des Virus ähnlich milde sein wird wie Omikron. Denn ohne eine Pflicht wird sich die Impfquote kaum merklich erhöhen, das ist die Erfahrung der zurückliegenden Monate.

Dass uns die Pandemie im Herbst noch einmal voll trifft, mit einer gefährlicheren Variante als Omikron, bleibt ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Aber im Moment sehnen sich die nach 24 Monaten pandemiemüden Menschen nach Lockerungen. Daran konnten Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten jetzt nicht vorbeigehen.