Die Politik versucht, die Frontlinie im Kampf gegen die ansteckendere Corona-Variante Omikron zu stabilisieren. Denn es herrscht Alarmstimmung - spätestens seit der ersten Stellungnahme der neu eingesetzten Expertengruppe der Bundesregierung zu COVID-19, die am Sonntagabend Deutschland aufschreckte.
Und nun: Die große Politik, die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit dem Bundeskanzler, bekräftigt den vor vier Wochen eingeschlagenen Weg und mahnt die Bürgerinnen und Bürger zu Verantwortungsbewusstsein, Disziplin und Einhaltung der Beschränkungen für Ungeimpfte. Ab dem 28. Dezember, kurz vor etwaigen Partys zum Jahreswechsel, werden Treffen Geimpfter im privaten Rahmen auf zehn Personen begrenzt, Clubs und Diskotheken müssen schließen, bei großen Sportveranstaltungen ist kein Publikum mehr zugelassen. Das ist der Beschluss, während zugleich die USA und Israel die ersten Omikron-Toten verzeichnen und weitere Länder die Dominanz der neuen Variante vermelden.
Vergebliches Werben
Der große Wurf, den viele erwartet und andere befürchtet hatten, ist dies gewiss nicht. Keine Feststellung der epidemischen Lage. Keine Ausgangsbeschränkungen, keine Schließung von Hotels und Gaststätten. Dabei hatten gerade die Unions-Ministerpräsidenten mit Verweis auf geringe Impfzahlen und Besorgnis erregende Berichte aus Intensivstationen für die Ausrufung der epidemischen Lage geworben.
Allein: Die Bundesregierung und die Gesamtheit der MPK orientieren sich sehr betont an der Stellungnahme, die die Expertinnen und Experten - von Christian Drosten bis zu Hendrik Streeck - einstimmig beschlossen und vorgelegt hatten. Bundeskanzler Olaf Scholz betont das Primat der wissenschaftlichen Expertise und will nicht jeden Tag neue Debatten über mögliche Handlungsschritte und weitere Verschärfungen führen.
Das kann man durchaus begrüßen, denn so können sich einzelne Landeschefs nicht hinter der Bundesregierung verstecken. Denn auch einzelne Länder können - wie das Land Berlin an diesem Dienstag - die epidemische Notlage für sich beschließen, ohne damit allerdings die Gestaltungskraft der Bundesebene zu erreichen. Andererseits: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach - und das gab es bei solchen MPK-Pressekonferenzen im Corona-Rahmen seit Frühjahr 2020 wohl nicht - im Beisein von Scholz von einem "Fehler", dass es keinen Beschluss für eine epidemische Notlage gegeben habe.
Indes: Epidemische Notlage - der Begriff taucht in der dreiseitigen Stellungnahme der Wissenschaftler nicht auf. Nirgends. Da steht ein Plädoyer für "starke Kontaktreduktionen", an anderer Stelle folgt der Ruf nach "wirksamen bundesweit abgestimmten Gegenmaßnahmen zur Kontrolle des Infektionsgeschehens" und es werden "insbesondere gut geplante und gut kommunizierte Kontaktbeschränkungen" gefordert. Die Wissenschaftler nennen das wirkungsvolle Tragen von Masken, die Vermeidung von Zusammenkünften. Aber all das ist keine ausdrückliche Empfehlung der epidemischen Notlage oder eines Lockdowns.
Vergessene Kinder
Aber die Empfehlungen blenden weithin die oft beklagte Lage in Schulen und für kleinere Kinder aus. Das ist ärgerlich und es hat schon Tradition. Die Sorge für diesen Bereich obliegt aber der Zuständigkeit der Bundesländer. Und dazu passte in den vergangenen Tagen die Meldung, dass in einem Bundesland, in dem sich viele Schulen noch nach Belüftungstechnik sehnen, der Landtag mit entsprechender Technik ausgerüstet wurde. Olaf Scholz zeigt, was der Bund tun kann und tun will. Aber sein Vorgehen macht auch deutlich, was die Länder tun müssen.
Wenn die bisherige Ausbreitung der Corona-Varianten eins lehrt, dann ist es dies: Für eine Pandemie ist die Welt ein Dorf. Und nur gemeinsam kann der Kampf dagegen gelingen. Das sollte in Deutschland, das sollte auch auf europäischer Ebene stärker zum Thema werden - spätestens wenn die aktuelle Frontlinie gegen Omikron geschlossen ist.