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Vom langen Weg aus der Abhängigkeit

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Jens Thurau
20. April 2022

Der Druck auf die Bundesrepublik wächst, ganz auf russisches Öl und Gas zu verzichten. Aber die Abhängigkeit ist groß, und die Umstellung braucht Zeit. Notwendig ist eine Politik mit Augenmaß, meint Jens Thurau.

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Absperrhahn an einer Gaspipeline
Würde der Gashahn einfach zugedreht, wären die Folgen für Deutschland dramatischBild: epa Maxim Shipenkov/dpa/picture alliance

Mit jedem Tag, jeder neuer Schreckensnachricht aus der Ukraine über Massaker an der Zivilbevölkerung wächst der Druck auch auf Deutschland, Schluss zu machen mit dem Bezug von Öl und Gas aus Russland. Verständliche Forderungen sind das, zumal und in erster Linie aus der Ukraine. Und erschreckend ist auch, wie jetzt eine Studie der Umweltorganisation Greenpeace ergab, dass Deutschland in diesem Jahr für den Bezug von Öl und Gas die Rekordsumme von rund 32 Milliarden Euro an Moskau wird bezahlen müssen. Der laute Ruf, damit Schluss zu machen, hier und jetzt, hat jede Berechtigung und wird sicher auch noch lauter werden. 

Aber Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen hat auch recht, wenn er sagt, dass bei einem abrupten Gas-Lieferstopp der soziale Friede in Deutschland in Gefahr wäre. Habeck hat versucht, schon jetzt die Gaslieferungen aus anderen Ländern zu forcieren, aus Katar etwa und aus Norwegen. Deutschland plant den schnellen Bau von Terminals, um Flüssiggas importierten zu können. Langfristig setzt es auf den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und auf Wasserstoff als Energieträger der Zukunft, vor allem in der Industrie.

Schmerzliche Debatten

Das alles ist richtig und gut so, und es steht der Regierung gut zu Gesicht, dass sie sich nicht weigert, vor allem für die Grünen schmerzliche Debatten etwa wie der über ein Weiterlaufen der noch existierenden Atomkraftwerke zu führen. Dazu zählt auch die Idee, noch einmal über das eigentlich verpönte Fracking von Gas auch in Deutschland nachzudenken.

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DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Aber all diesen Debatten ist gemein, dass sie so schnell wieder vorbei sind, wie sie aufkommen. Was bleibt, ist eine nach wie vor massive Abhängigkeit von den russischen Importen. Alles in allem ist deshalb der Weg richtig, Schritt für Schritt diese Abhängigkeit zu beenden - und nicht in einem großen, spektakulären Ende der russischen Lieferungen von heute auf Morgen.  

Ärgerlich ist, dass die Regierung sich nicht traut, einige kleine, aber effektive Maßnahmen zu ergreifen, die helfen könnten, Energie schon jetzt zu sparen. Ein Tempolimit auf den Autobahnen wäre eine solche Maßnahme. Unverständlich, warum das nicht schon längst geschehen ist, wenn gleich mehrere Experten versichern, dass damit eine Öl-Einsparung von etwa 7 Prozent durchaus möglich wäre. So eine Maßnahme könnte man im Übrigen auch zeitlich begrenzen. Warum nicht?  Hauptsache, es passiert etwas. 

Der kommende Abschied muss endgültig sein

Wohlgemerkt: Vor allem Deutschland muss sich aus der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas befreien. Und zwar endgültig. In Neubauten dürfen keine Gas-Heizungen mehr  installiert werden, die erneuerbaren Energien müssen endlich wirklich massiv ausgebaut werden. Aber all das braucht Zeit, viel Zeit. Und die Europäer müssen bei der Energiepolitik endlich zusammenarbeiten, nicht gegeneinander.  

Über Jahrzehnte hat jede Bundesregierung stets von der Energiewende gesprochen: Ausstieg aus der Atomkraft, Ende der Kohleverstromung, Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber insbesondere beim letzten Punkt folgte den großen Versprechen kein Handeln. Wind- und Sonnenergie sind nicht in dem Ausmaß gewachsen, wie es möglich gewesen wäre. Das muss sich jetzt ändern. Jahrelange Genehmigungsverfahren für Windanlagen müssen drastisch verkürzt werden. Genau das hat die Regierung nun vor. Sie muss jetzt aber auch liefern. 

Besser jetzt auch schwere Waffen liefern

Kurzfristig aber, und nur darum geht es, gibt es bei allen Bemühungen keine wirkliche Alternative zum russischen Gas. Das ist ein schreckliches Fazit. Man muss nicht allen Kassandra-Rufen aus der Wirtschaft glauben, aber dass ein sofortiger Stopp der Gaslieferungen dramatische Folgen hätte, das ist wohl so. Bis 2024 will die Regierung jetzt ganz auf russisches Gas verzichten können. Das scheint realistisch. Statt über einen Sofortstopp des Bezugs von Öl und Gas aus Russland zu sprechen, der sich dann doch nicht realisieren ließe, wäre es leichter und besser, die Zögerlichkeit bei der Lieferung auch schwerer Waffen an die Ukraine aufzugeben. Aber aus jahrelanger Abhängigkeit befreit man sich nicht ein einfach so von einem Tag auf den anderen.