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Freihandelspakt legt China Fesseln an

Martin Fritz, Journalist in Tokio
Martin Fritz
15. November 2020

Mit der Unterzeichnung des weltweit größten Freihandelsabkommens beweist Asien politische Weitsicht und dokumentiert, dass sich Chinas Aufstieg nicht durch Konfrontation stoppen lässt, meint Martin Fritz.

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Vietnam Hanoi | Abschluss virtueller ASEAN-Gipfel | Freihandelsabkommen
Chinas Premier Li Keqiang (Mitte) und der chinesische Handelsminister Zhong Shan bei der Unterzeichnung des Abkommens in HanoiBild: Nhac NGUYEN/AFP

Wie bringt man China dazu, die Prinzipien der liberalen Weltwirtschaftsordnung einzuhalten? Die USA unter US-Präsident Donald Trump setzen auf Sanktionen, Investitionsverbote und Strafzölle für ausgewählte chinesische Unternehmen und treiben eine "Entkoppelung" von China voran.

Asien hingegen wählt den entgegengesetzten Ansatz, nämlich Zollsenkungen innerhalb der weltweit größten Freihandelszone, die "regionale, umfassende Wirtschaftspartnerschaft" RCEP mit 2,2 Milliarden Menschen und fast 30 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. Letzterer Weg verspricht eindeutig mehr Erfolg, um China zu zähmen.

Die USA wollen ihre Ablösung als Supermacht durch China hinauszögern. Die Trumpsche Anti-China-Politik spiegelt den Konsens der US- Elite wider, die eigene Vormachtstellung so lange wie möglich zu behaupten. Aber der Aufstieg von China lässt sich nicht mehr stoppen. Eine Verdoppelung der Wirtschaftsleistung bis 2035, wie es die jüngsten Wachstumsziele nahelegen, erscheint durchaus realistisch. Damit würde China die USA als führende Wirtschaftsmacht ablösen.

Martin Fritz, Journalist in Tokio
Martin Fritz ist Korrespondent in TokioBild: Privat

Kooperation statt Konfrontation

Anders als die Vereinigten Staaten haben Chinas asiatische Nachbarn diesen bevorstehenden Machtwechsel akzeptiert. Sie denken langfristig, daher ist ein Kalter Krieg für sie keine realistische Option. Stattdessen wählen sie die Kooperation, um China Fesseln anzulegen. Aus dieser Perspektive heraus haben auch die US-Verbündeten Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland das weltweit größte Handelsabkommen unterzeichnet.

Durch die Teilnahme an RCEP profitieren sie von Chinas wachsender ökonomischer Kraft, ohne sich damit abzufinden, dass sie in einigen Jahrzehnten zu Vasallen von Peking werden. Gerade Südkorea und Japan haben viel Übung darin, einerseits intensive wirtschaftliche Beziehungen zu China zu unterhalten und andererseits politischen Abstand zu halten.

Infografik RCEP Handelsabkommen DE

Sie erkennen an, dass China die Weltwirtschaft zwei Mal gerettet hat – durch ein gigantisches Investitionsprogramm nach der Globalen Finanzkrise 2008/2009, und nun durch einen schnellen Konjunkturaufschwung nach der Bekämpfung des Coronavirus. Statt Peking zu isolieren, bleiben sie lieber im Gespräch, um die Entwicklung in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Asien, Zentrum der Weltwirtschaft

Einmal mehr beweisen die Nationen in Asien damit ihre Fähigkeit zur politischen Weitsicht und zum strategischen Denken. Aufgrund der rasant wachsenden Mittelschicht wird Asien die Weltwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten antreiben und zu einer einheitlichen Handelszone mit China als Zentrum werden, genauso wie es heute Europa mit Deutschland und Nordamerika mit den USA sind. Darauf muss sich der Westen einstellen.

US-Präsident Barack Obama richtete die USA in seiner achtjährigen Amtszeit auf Asien aus. Sein damaliger Vizepräsident und kommender US-Präsident Biden sollte auf diesen Kurs zurückkehren und den Weg der Kooperation mit China wählen. Insofern signalisieren Chinas asiatische Nachbarn mit der heutigen Unterzeichnung des RCEP-Vertrages auch ihren Wunsch nach einem Strategiewechsel der USA. Das kann man als Sieg von China bewerten – und man kann dies auch politischen Realismus nennen.