Zuerst die gute Nachricht - gut aus der Sicht aller Putin-Gegner: Der lauteste aller Kremlkritiker ist zurück. Fit und voller Tatendrang.
Zwar wurde Alexej Nawalny gleich nach seiner Ankunft in Moskau verhaftet und kurz darauf in einem Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt. Aber der 44-Jährige hat Mitstreiter, die weiter kämpfen wollen, selbst wenn er am Ende länger im Gefängnis bleibt.
Eine stumpfe Waffe?
Kämpfen bei der Duma-Wahl zum Beispiel, die in diesem Jahr ansteht. Mit Nawalnys sogenanntem "Smart Voting" sollen der Regierungspartei "Geeintes Russland" so viele Wähler wie möglich abgeworben werden, damit diese Partei so schlecht wie möglich abschneidet.
Das könnte sogar funktionieren, wie das Smart Voting bei einigen Regionalwahlen im vergangenen Jahr gezeigt hat. Wirklich ändern wird das Smart Voting das politische System in Russland aber nicht. Und es wird auch die politische Opposition kaum stärken. Denn Russland hat keine Opposition. Die Parteien, zu deren Wahl Nawalny aufruft, sind nur eine zahnlose Pseudo-Opposition. Gleichgeschaltete Gruppierungen, die alle Entscheidungen des Kreml unwidersprochen durchwinken.
Daran ändert auch Nawalnys Rückkehr nichts. Und das ist die schlechte Nachricht - nicht nur für Putin-Gegner.
Putins gefährlichster Widersacher
Alexej Nawalny ist eine Marke. Charismatisch, furchtlos, fest entschlossen. Mittlerweile ist er weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus bekannt. Mehr noch: Nawalny ist zu Russlands wichtigstem Oppositionspolitiker geworden. Zu einem, den der Kreml offensichtlich wirklich fürchtet, was sich allein schon an der völlig übertriebenen Reaktion auf seine Ankunft in Moskau gezeigt hat.
Dutzende Polizeibusse, hunderte Sicherheitsbeamte, kein Zugang für die Presse: Die Ankunftsebene des Flughafens Wnukowo, auf dem Nawalny ursprünglich hätte landen sollen, ähnelte einer Festung. Es war zugleich die Machtdemonstration eines Staates gegenüber seinem unbeugsamsten Bürger.
Das alles klingt zwar dramatisch, dient aber gleichzeitig auch dem Kämpfer-Image Nawalnys. Endlich wird er von der Obrigkeit nicht mehr als "unbedeutender Blogger" oder als "Berliner Patient” tituliert. So bezeichnete nämlich Kremlsprecher Dimitri Peskow den Regierungskritiker. Peskows Chef Putin nahm Nawalnys Namen nicht einmal in den Mund.
Russlands Justiz hatte bereits mehrmals die Chance, Nawalny für längere Zeit hinter Gitter zu bringen. Sie tat es aber nicht. Wie es heißt, auf Anweisung aus dem Kreml. Es sei zu viel "Ehre" für einen "unbedeutenden Blogger", zu viel Aufmerksamkeit. Das hat sich jetzt anscheinend geändert. Nawalny ist zu bekannt geworden und schlussendlich auch zu gefährlich für Wladimir Putin.
Ein mutiger Einzelkämpfer
Aber eben auch nur er. Denn hinter Nawalny steht keine Partei, er versammelt keine Massen hinter sich, er bleibt bisher ein mutiger Einzelkämpfer.
Zwar werden seine Videos über korrupte Beamten millionenfach geklickt. Zwar folgten seinem Aufruf, gegen die Staatsmacht auf die Straße zu gehen, vor einigen Jahren zahllose meist junge Anhänger. Aber ihre Proteste wurden gewaltsam niedergeschlagen. Tausende wurden verhaftet und werden seitdem systematisch eingeschüchtert. Manche von ihnen landeten schließlich im Knast.
Als wenige Tage vor Nawalnys Ankunft eine Gruppe von Aktivisten im Netz dazu aufrief, den Politiker am Flughafen zu begrüßen, bekamen Nawalnys Leute in Moskau und Sankt Petersburg Besuch von der Polizei. Auch anderen Oppositionellen wurde gedroht: Wer es wage, zum Flughafen zu fahren, dem drohe eine Gefängnisstrafe. Kurz vor Nawalnys Ankunft folgten dutzende Festnahmen am Flughafen Wnukowo. All dies ist ein Beweis dafür, dass der Kreml bislang ein übermächtiger Gegner ist.
Dieser Artikel wurde nach der Verurteilung Alexej Nawalnys aktualisiert.