Die wiederholten Aufforderungen des tapferen ukrainischen Präsidenten nach Hilfe der EU und NATO werden immer eindringlicher und verzweifelter: mehr Waffen, ein scharfes Energieembargo gegen Russland, mehr Fluchtkorridore, eine Flugverbotszone, Kampfjets! Die Antworten der Europäer und des Westens bleiben gleich und wirken immer hilfloser angesichts der Brutalität und Unmenschlichkeit des Diktators im Kreml bei seinem Krieg in der Ukraine.
Die Außenministerinnen und -minister der EU sehen sich nicht in der Lage, die Sanktionen drastisch zu verschärfen. Abwehrwaffen werden geliefert, soweit etwas in den eigenen Lagern zu finden ist. Ein militärisches Engagement im Luftraum über der Ukraine oder gar am Boden kommt aber nicht in Frage, weil dies Krieg in ganz Europa bedeuten würde.
Mangel an praktischen Mitteln
Die Chef-Diplomaten der EU-Mitgliedsstaaten bezeichnen Wladimir Putin inzwischen offen als das, was er ist: einen Kriegsverbrecher. Die Bilder aus der Ukraine von weinenden Menschen und zerstörten Städten sind herzzerreißend. Aber praktische Mittel, den Wahnsinn zu stoppen, haben weder die EU-Minister noch die Staats- und Regierungschefs der NATO, die sich in dieser Woche ebenfalls in Brüssel treffen werden.
Die beschlossenen Sanktionen treffen Putin und die russische Gesellschaft nur mittel- oder langfristig. Seine Waffen kann die NATO dem russischen Machthaber so nicht aus der Hand schlagen. Auch ein sofortiges Öl-, Gas- und Kohleembargo könnte Russland wohl einige Zeit überstehen. Die von russischer Energie abhängigen Staaten wie Deutschland würden sich hingegen selbst große Wunden zufügen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, den Wohlstand und am Ende auch die Solidarität mit Flüchtlingen gefährden würden.
Deshalb hat die EU richtigerweise einen solchen Schritt abgelehnt. Sich so schnell wie eben möglich vom russischen Energie-Tropf abzunabeln, ist da wohl der klügere Weg. Und auch der wird noch schwer genug.
Viele Fragen, wenige Antworten
Die EU-Außenminister haben auf die Fragen nach roten Linien, nach Konsequenzen, sollte Putin Chemiewaffen einsetzen, Städte komplett ausradieren, nach der Ukraine auch Moldau oder Georgien angreifen, keine zufriedenstellenden Antworten. Nur eines ist klar: Sollte NATO-Gebiet angegriffen werden, würde die Allianz zurückschlagen. Das ist das Versprechen - aber würde es wirklich eingelöst? Daran muss man im Baltikum, in Polen, in Rumänien ganz fest glauben, denn sonst gäbe es überhaupt kein Halten mehr für den Kreml-Diktator und seine Armee.
Der von den Außenministern beschlossene "strategische Kompass" für die Europäische Union ist vor dem Hintergrund des aktuellen Krieges eher ein zahnloser Papiertiger. Die größere militärische Unabhängigkeit und strategische Rolle der EU in der Welt sind hehre Ziele, die in weiter Ferne liegen. Jetzt muss es darum gehen, aufzurüsten, die eigene Verteidigung zu stärken, um die Abschreckung glaubwürdig zu machen. All das sind aber Dinge, die jetzt, hier und heute nicht helfen - schon gar nicht den Menschen in der Ukraine.
Wer kann den Tyrannen beseitigen?
Das Ziel der EU und der NATO müsste deshalb ein unverzüglicher Regimewechsel in Moskau sein, um die Kriegsmaschinerie zu stoppen. Wo sind die Geheimdienste und Spezialkommandos, die in der Lage sind, einen ruchlosen Tyrannen wie Wladimir Putin zu beseitigen?
Verglichen mit der sowjetischen Führung im Kalten Krieg ist Wladimir Putin tatsächlich unberechenbarer und skrupelloser. Damals funktionierte das Gleichgewicht des Schreckens noch, weil man wusste, wer als Erster die rote Linie überschreitet, stirbt als Zweiter. Funktioniert Abschreckung heute noch? Ist das Putin egal? Das sind die Fragen, mit denen sich EU, NATO und G7 in dieser Woche in Brüssel befassen müssen. Antworten hat bislang niemand.