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PolitikAsien

Iranreisen als persönliches Sicherheitsrisiko

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
2. Juli 2022

Der Fall des zu acht Jahren Haft verurteilten französischen Touristen Benjamin Brière zeigt, wie unberechenbar die Urteile der iranischen Justiz sind. Individualreisen in den Iran sind riskant, meint Kersten Knipp.

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Frau mit FFP2-Maske trägt ein Protestplakat für die Freilassung von Benjamin Briere: #FREEBEN
Der Franzose Benjamin Briere wurde im Iran in zweiter Instanz zu acht Jahren Haft wegen angeblicher Spionage verurteiltBild: Adrienne Surprenant/AP/picture alliance

Die Urteile der iranischen Justiz sind schwer berechenbar. Ein Tourist schickt in einem Nationalpark nahe einer Landesgrenze eine Drohne in die Luft, macht ein paar Aufnahmen - und wird dann verhaftet, der Spionage angeklagt und zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt. Genau so ging es Benjamin Brière. Der 36-jährige Franzose war im Mai 2020 nahe der Grenze zu Turkmenistan verhaftet worden, als er dort seine Drohne fliegen ließ. Im Januar dieses Jahres fiel das Urteil gegen ihn, jetzt wurde es von einem Berufungsgericht bestätigt.

Es mag allzu leichtfertig sein, in einen autoritär geführten Staat zu reisen und davon auszugehen, man befinde sich in einem Rechtsstaat. Indem er Luftaufnahmen machte - anderswo längst alltägliches Freizeitvergnügen - lieferte Brière dem iranischen Staat eine Gelegenheit, gegen ihn vorzugehen, so durchsichtig die Anklage wegen Spionage auch immer sein mag. Das französische Außenministerium bezeichnete das Urteil als "inakzeptabel". Brière sei nur als Tourist in den Iran gereist.

Politische Geiseln

Vermuten darf man nach der Bestätigung des Urteils aber, dass der iranischen Justiz vielerlei Vorwände einfallen, Ausländer zu verhaften, wenn ihr oder der Staatsführung das opportun erscheint. Im Zweifel lassen sich viele Anklagen konstruieren. Das wirft die Frage auf, wie sicher sich westliche Touristen im Iran noch fühlen können. Können sie davon ausgehen, am Ende ihres Urlaubs wieder den Rückflug anzutreten? Denn der Fall Brière zeigt: Eine touristische Reise in den Iran kann auch im Gefängnis enden.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
DW-Autor Kersten KnippBild: W. Knipp

Soweit bekannt, ist Brière der erste Gefangene aus dem Westen ohne doppelte Staatsangehörigkeit. Bei den bislang bekannten Gefangenen handelt es sich um Iraner oder Iranerinnen, die zugleich im Besitz eines westlichen Passes sind.Ihre Fälle legen nahe, dass es dem Iran mit den Prozessen gegen westliche Bürger vor allem um politische Ziele geht. Das belegt etwa der Fall des schwedisch-iranischen Arztes Ahmadresa Dschalali. Er wurde 2016 wegen angeblicher Zusammenarbeit mit Israel verhaftet und später zum Tode verurteilt. Ein entsprechendes Geständnis wurde Amnesty International zufolge durch Folter erpresst.

In seinem wie in anderen Fällen gehe es darum, Zugeständnisse oder Freilassungen von im Ausland inhaftierten Iraner zu erpressen, so Amnesty. So gesehen, sind die Verurteilten nichts anderes als politische Geiseln. Im konkreten Fall geht es um die Freilassung von Hamid Nouri, einen 2019 in Schweden verhafteten ehemaligen Staatsbeamten. Nouri muss sich in Schweden wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an den iranischen Gefängnismassakern von 1988 verantworten. Damals waren bis zu zehntausend politische Gefangene hingerichtet worden, die meisten durch den Galgen.

Druck auf Verhandlungspartner?

Der Iran bestreitet zwar einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen. Doch der damalige iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hatte anlässlich der bereits geplanten, dann aber verschobenen Hinrichtung Nouris im Dezember 2020, öffentlich die Bereitschaft erklärt, sich auf einen Gefangenenaustausch einzulassen. "Es liegen mehrere Vorschläge des Iran auf dem Tisch", so Sarif. "Ich habe einen globalen Austausch von iranischen Gefangenen vorgeschlagen."

Derzeit laufen in Katar Verhandlungen zwischen dem Iran und westlichen Staaten zu den derzeit stockenden Vereinbarungen zum iranischen Atomprogramm. An ihnen nehmen auch Großbritannien, Frankreich und Deutschland teil. Alle drei Länder haben Staatsbürger, die im Iran derzeit unter fadenscheinigen Begründungen in Haft sitzen. Ob Iran durch sie zusätzlichen Druck auf die Verhandlungspartner aufbauen will, lässt sich nur vermuten. Fakt aber ist: Individualreisen in den Iran, ob aus beruflichen oder nur touristischen Gründen, sind potenziell gefährlich.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika