Über 150 Millionen Menschen leben insgesamt in der Zentralafrikanischen Republik, dem Tschad, der Demokratischen Republik Kongo, Madagaskar und dem Jemen - also in den fünf Ländern, in denen die Hungersituation derzeit als besonders besorgniserregend eingestuft wird. In vier weiteren Ländern - Burundi, Somalia, Südsudan und Syrien - gilt die zweithöchste Warnstufe. Und in weiteren 35 Ländern wird die Hungersituation als ernst eingestuft. Unterernährung und die Kindersterblichkeitsrate sind in Subsahara-Afrika weiterhin höher als in jeder anderen Region der Welt.
Das alles sind Ergebnisse des gerade veröffentlichten Welthungerindex (GHI), der zu einem weiteren besorgniserregenden Befund kommt: dass nämlich die Fortschritte bei der Bekämpfung des Hungers im Jahr 2022 weitgehend stagnierten.
Mehrere sich überlagernde Krisen
Dem GHI zufolge hat der Krieg in der Ukraine die Preise für Nahrungsmittel, Brennstoffe und Düngemittel weltweit in die Höhe getrieben, und er könnte 2023 und darüber hinaus zu einer globalen Nahrungsmittelknappheit beitragen. Dies geschieht zusätzlich zu den anderen drei Hauptursachen für den Hunger – dem Klimawandel, gewaltsamen Konflikten und dem sowieso schon durch die COVID-Pandemie befeuerten wirtschaftlicher Abschwung.
All dies geschieht zu einer Zeit, in der die Welt, genauer gesagt die westlichen Länder, mit anderen, sich überschneidenden globalen Krisen beschäftigt ist.
Der globale Norden ist mit sich selbst beschäftigt
Wenn man die Nachrichten in Deutschland und anderen europäischen Staaten verfolgt, fällt auf, dass sich viele Menschen vor allem mit Herausforderungen wie der anhaltenden Inflation, den hohen Energiepreisen, der Angst vor einem kalten Winter und Stromausfällen, der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums oder natürlich auch dem Krieg gegen die Ukraine und dem Corona-Herbst beschäftigen.
Während all diese Probleme ernst sind und angegangen werden müssen, erinnert uns der Welthungerindex daran, dass es uns immer noch gut geht im Vergleich zu Menschen in anderen Teilen der Welt, denen es an absolut Existentiellem wie Nahrung fehlt.
Untätigkeit fällt auf Europa zurück
In diesem Zusammenhang ist es notwendig, dass die Menschen und die internationale Gemeinschaft als Ganzes Verantwortung übernehmen, um das Problem des Hungers zu bekämpfen. Auch der globale Norden trägt eine Mitschuld an den Ursachen der Nahrungsmittelkrise, etwa durch die Subventionierung des eigenen Agrarsektors, die die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel zerstört und Landwirte in anderen Teilen der Welt davon abhalten, sich auf die Nahrungsmittelproduktion zu konzentrieren, sowie durch den Klimawandel, der durch den Konsum und die Beibehaltung bestimmter Lebensgewohnheiten verursacht wird.
Darüber hinaus leben wir in einer so globalisierten Welt, dass sich die Auswirkungen des Hungers unweigerlich auch auf den globalen Norden auswirken werden. Eine Verknappung der Ressourcen wird zu gewaltsamen Konflikten führen, und Menschen, die unter Hunger leiden, werden natürlich abwandern, um an anderen Orten Nahrung zu finden.
Eine der größten Ängste der Europäer ist die Flucht und Migration aus den Ländern Afrikas und des Nahen Ostens, und eine anhaltende Hungersituation in einigen dieser Länder wird diese Migration noch fördern.
Abstumpfung statt Engagement?
Wo bleibt also die Empörung über die weltweite Hungerkrise? Sind die Menschen emotionslos geworden angesichts der unzähligen Bilder Hunger leidender Kinder, denen Fliegen um die Augen schwirren? Angesichts von Millionen von Menschen, die auf diese Weise derart stereotypisiert wurden? Sind einige Menschen im Westen derart abgestumpft, dass sie den Hungerproblemen in diesen Ländern keine Aufmerksamkeit mehr schenken?
Dabei ist die derzeitige Hungerkrise real und eine ständige Mahnung auch an die wohlhabenderen Gesellschaften, über den Tellerrand ihrer eigenen Umgebung hinauszublicken. Es ist an der Zeit die Augen auf diejenigen zu richten, die immer noch an Hunger sterben, obwohl eigentlich weltweit trotz aller Krisen noch immer genügend Nahrungsmittel zur Verfügung stünden.
Aus dem Englischen adaptiert von Thomas Latschan