Untersuchungshaft für Menschenrechtler
18. Juli 2017Ein Gericht in der Türkei hat knapp zwei Wochen nach ihrer Festnahme Untersuchungshaft gegen die Landesdirektorin von Amnesty International und fünf weitere Menschenrechtler verhängt. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sind unter den Inhaftierten neben dem Deutschen Peter Steudtner und einem Schweden, auch einige der wichtigsten Menschenrechtsaktivisten der Türkei: Idil Eser, die Direktorin von Amnesty International in der Türkei, Özlem Dalkiran, die Mitgründerin von Helsinki Citizens Assembly sowie die Frauenrechtlerin Ilknür Üstün. Der Haftrichter in Istanbul habe vier weitere Menschenrechtler dagegen bis zu einem Prozess unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt, sagte der Türkei-Experte von Amnesty International, Andrew Gardner. Warum in den einen Fällen unterschiedlich entschieden wurde, ist unklar. In der Türkei können Beschuldigte bis zu fünf Jahre in Untersuchungshaft festgehalten werden.
Terrorunterstützung ohne Mitgliedschaft?
Die Staatsanwaltschaft hatte in der Nacht Untersuchungshaft für alle zehn Menschenrechtler verlangt. Sie warf ihnen nach Amnesty-Angaben vor, eine Terrororganisation unterstützt zu haben, ohne deren Mitglied zu sein. Um welche Terrororganisation es sich handeln soll, blieb unklar.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Menschenrechtler in die Nähe der Putschisten vom 15. Juli vergangenen Jahres gerückt. Beim G20-Gipfel in Hamburg hatte er gesagt, die Versammlung, bei der sie festgenommen wurden, habe in ihrem Charakter "einer Fortsetzung des 15. Juli" entsprochen. Erdogan macht die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich, die in der Türkei als Terrororganisation eingestuft ist.
Die Familie des inhaftierten Menschenrechtstrainer Steudtner aus Berlin wies solche Anschuldigungen zurück. Es sei schockierend, dass das gewaltfreie Engagement Steudtners dazu geführt habe, dass der 45-Jährige nun im Gefängnis sei, hieß es in einer verbreiteten Mitteilung von Unterstützern des Deutschen. Der Sprecher der Angehörigen in Deutschland, der Menschenrechtsberater Daniel Ó Cluanaigh, teilte mit: "Es ist abwegig, ihm die Unterstützung einer bewaffneten Terrorgruppe zu unterstellen." Steudtner erhielt kurz nach seiner Festnahme konsularische Betreuung durch das deutsche Generalkonsulat in Istanbul.
Internationaler Aufruf zur Freilassung
Amnesty-Experte Gardner sagte zu der Untersuchungshaft für die Menschenrechtler: "Das ist ein Angriff auf die gesamte Menschenrechtsbewegung in der Türkei." Auf Twitter teilte er mit, die Entscheidung des Haftrichters sei ein Skandal und "auf Grundlage von falschen Anschuldigungen ohne Beweis und Logik" gefällt worden.
Der Generalsekretär von Amnesty International, Salil Shetty, hatte Terrorvorwürfe schon nach den Festnahmen "unfassbar" genannt und die Freilassung aller zehn Menschenrechtler gefordert. Shetty warf Erdogan vor, im Zuge der sogenannten Säuberungen Kritik zum Verstummen bringen zu wollen. "In Erdogans Türkei soll es keine Zivilgesellschaft, keine Kritik und keine Rechenschaftspflicht geben." Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hatte Befürchtungen geäußert, die Betroffenen könnten misshandelt werden und hatte ebenfalls deren Freilassung verlangt. Die Bundesregierung hatte sich besorgt über die Festnahmen gezeigt.
Festnahmen von Menschenrechtlern
Am 5. Juli stürmte die türkische Polizei ein Treffen der zehn Menschnrechtler in einem Hotel auf der Insel Büyükada. Die zehn Männer und Frauen kamen dort zu einem Workshop zum Thema "Digitale Sicherheit und Informationsmanagement" zusammen. Erst einen Monat zuvor wurde der Landesvorsitzende von Amnesty International in der Türkei, Taner Kilic, festgenommen. Auch gegen ihn wurde Untersuchungshaft verhängt. Ihm werden Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen. Auch der deutsch-türkische "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel und die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu Corlu sitzen derzeit in der Türkei wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft.
Bundesregierung unterstützt Yücels Klage
Die Bundesregierung wird einem Zeitungsbericht zufolge die Klage des Journalisten Yücel vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) unterstützen. Sie werde Stellung beziehen in dem Verfahren, in dem Yücel Beschwerde gegen seine Behandlung durch die türkische Justiz eingelegt habe, bestätigte das Justizministerium der Zeitung "Die Welt" zufolge nach Rücksprache mit Kanzleramt und Auswärtigem Amt.
Bundesjustizminister Heiko Maas forderte die türkische Justiz auf, eine Anklageschrift vorzulegen. "Bislang haben wir nur Vorverurteilungen gehört, die versuchen, Deniz Yücel pauschal als Terroristen zu diffamieren", sagte Maas der Zeitung. Zudem müsse die Türkei die Einzelhaft beenden und für menschenwürdige Haftbedingungen sorgen.
Neben Yücel haben auch zahlreiche andere in der Türkei inhaftierte Journalisten Beschwerde vor dem EGMR eingereicht. Die deutsche Regierung kann bei Beschwerden von Bundesbürgern gegen andere Staaten Stellungnahmen abgeben.
pab/stu (afp, dpa)