Menschenrechtslage überschattet Grand Prix in Bahrain
29. März 2019Wieder schlagen Menschenrechtsorganisationen vor dem Formel-1-Grand-Prix in Bahrain Alarm. "Neben dem Glamour der Formel 1 gibt es eine viel dunklere Seite in Bahrain, die das Land als einen zutiefst repressiven Staat offenbart, in dem jeder für Kritik an der Regierung ins Gefängnis gehen kann, selbst für das Posten eines Tweets", sagte Samah Hadid, Direktorin von Amnesty International für den Mittleren Osten. Anstatt das Image mit "Highspeed-Sport" aufpolieren zu wollen, "sollte die Regierung in Bahrain unverzüglich Gesetze aufheben, die die Meinungsfreiheit unter Strafe stellen, und die Freilassung aller gewaltfreien politischer Gefangenen beschleunigen."
Ähnlich äußerte sich Minky Worden, Direktorin für weltweite Initiativen bei Human Rights Watch: "Die Formel-1-Organisatoren sollten nicht wegschauen, wenn Bahrain die öffentliche Aufmerksamkeit und den Glanz der Rennen ausnutzt und gleichzeitig die Repression gegen Menschen verstärkt, die sich gegen die Austragung des Rennens in Bahrain aussprechen."
Wegen Kritik an Formel 1 im Gefängnis
Amnesty International und Human Rights Watch gehören zu 17 Menschenrechtsorganisationen, die vor dem zweiten Grand Prix der Saison an diesem Wochenende die Verantwortlichen der Formel 1 an andauernde Menschenrechtsverletzungen in Bahrain erinnerten und die FIA dazu aufriefen, sich insbesondere für die Freilassung der Bloggerin Najah Yusuf einzusetzen. Sie hatte 2017 in den sozialen Netzwerken kritisiert, dass der Formel-1-Grand-Prix in einem Land ausgetragen werde, in dem die Meinungsfreiheit der Bevölkerungen eingeschränkt werde. Die Mutter von vier Kindern war daraufhin festgenommen und 2018 zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden. "Als Beweis für meine vermeintlichen Verbrechen zitierte der Richter einen Facebook-Post, in dem ich die Formel 1 kritisierte", schrieb Yusuf aus dem Gefängnis an die britische Zeitung "The Guardian".
Sie habe ihr angebliches Geständnis nur unterschrieben, weil sie zuvor in einer Polizeistation tagelang psychisch unter Druck gesetzt, geschlagen und sexuell missbraucht worden sei. "Der Schmerz und die Demütigung dieser Woche werden mich für den Rest meines Lebens verfolgen."
Al-Araibi für Rennboykott
Der bahrainische Exil-Fußballer Hakeem al-Araibi hatte Ende Februar dazu aufgerufen, den Grand-Prix zu boykottieren, wenn Yusuf nicht freigelassen werde. "Der Formel 1 muss gesagt werden, dass Verstöße gegen die Menschenrechte nicht toleriert werden können", schrieb der 25-Jährige im "Guardian". Die Regierung beschuldigt Al-Araibi, an einem Anschlag auf eine Polizeistation vor sieben Jahren beteiligt gewesen zu sein.
Nach seiner Flucht aus Bahrain 2014 war der Fußballer Ende November während seiner Flitterwochen in Thailand in Auslieferungshaft genommen worden. Im Februar war al-Araibi auf internationalen Druck hin freigelassen worden und nach Australien zurückgekehrt. Inzwischen ist er australischer Staatsbürger.
Mehr staatliche Repressionen
Immer wieder hat es Boykottaufrufe gegen den Grand Prix in Bahrain gegeben. 2011 wurde das Rennen nach der blutigen Niederschlagung pro-demokratischer Demonstrationen abgesagt, 2012 sorgten Proteste gegen die "Blut-Formel-1" um ein Haar für eine erneute Eskalation. Noch immer rumort es im Land. Das Auswärtige Amt in Berlin spricht von "deutlich verschärften staatlichen Repressionen seit Frühsommer 2016", von Verhaftungen, Anklagen, Reiseverboten und Ausbürgerungen.
Die Regierung Bahrains bestreitet alle Vorwürfe: "Niemand in Bahrain wird wegen seiner politischen Ansichten inhaftiert. Die Verfassung Bahrains garantiert und schützt das Recht auf Meinungsfreiheit." Der Automobilverband FIA zitierte in seinem Antwortschreiben an die 17 Menschenrechtsorganisationen die Behörden des Golfstaats: Die Anklage und Verurteilung Yusufs stünden "in absolut keinem Zusammenhang zum Formel-1-Rennen". Die FIA flüchtete sich zudem in Allgemeinplätze. Man glaube "an die einheitsstiftende Rolle des Sports und seinen positiven Einfluss, Menschen zusammenzubringen", teilte der Weltverband mit. Der Sport solle "diese Mission entschlossen" verfolgen.
Hintertür offen gelassen
Die butterweiche Haltung der FIA zur Menschenrechtslage in Bahrain ist gewissermaßen Programm. Zwar hat sich der Automobilverband dazu verpflichtet, die Menschenrechte bei seinen weltweiten Aktivitäten zu achten, sich aber gleichzeitig eine Hintertür offen gehalten: "Wenn nationale Gesetze und Vorschriften im Widerspruch zu international anerkannten Menschenrechten stehen, werden die Formel-1-Unternehmen nach Wegen suchen, diese in vollem Umfang zu respektieren, ohne dass sie gegen das nationale Recht verstoßen." Oder anders gesagt: Nur so viel Menschenrechte, wie der Gastgeber zulässt.